Der Gottbettler: Roman (German Edition)
zurückerhielt, nahm die Farbe seiner Umgebung an. Pirmen presste die Lippen fest aufeinander und tat so, als ging ihn die Welt rings um ihn nichts mehr an. Er starrte ins Leere und verschwand allmählich wieder aus dem Fokus der Anwesenden.
Die drei düster dreinblickenden Gesellen sahen sich erstaunt um. Sie vergaßen rasch ihr Vorhaben, schüttelten die Köpfe, ließen die Hände in die Taschen zurückgleiten und verstauten dort all das Werkzeug, das sie für ihn vorbereitet hatten. Sie wandten sich ihrer Unterhaltung zu, in der es um Frauen, die Jagd, Frauen, die Arbeit auf den Feldern und Frauen ging, manchmal allerdings auch nur um Frauen.
Bald darauf nahmen auch sie Abschied. Mitternacht war längst vorbei. Sie torkelten ins Freie, röchelten und grunzten erschrocken, als ihre Lungen die frische Luft einatmeten, die ihnen zudem ein wenig Klarheit in die Köpfe blies. Einer der Kerle schlug sich zwischen die Büsche, um dort Wasser zu lassen. Die gefrorenen Blätter klirrten gegeneinander, plötzlich aufkommender Wind wehte ins Innere des Störrischen Ochsen und brachte Schneeflocken mit sich, sehr zum Ärger des Wirts, der den drei Gästen lautstark hinterherfluchte. Eine Bö warf die Tür ins Schloss, es wurde ruhig.
Das Feuer im breiten Kamin brannte nieder. Nur Boar, Harms und ein sinnlos vor sich hin brabbelnder Norder, dessen Gesicht Erfrierungsspuren aufwies, klammerten sich noch am Tresen fest. Der Bettler war aus dem Latrinenbereich zurückgekehrt. Er war leichenblass, das Gesicht eingefallen. Und er grinste wie ein Debiler, seine Münze weiterhin fasziniert betrachtend.
Er klatschte sie mit einer großartigen Geste auf den Tresen. »Sauren!«, rief er, »Gib mir einen Humpen von deinem Sauren!«
»Natürlich, Hoher Herr!« Erns nickte und ließ die Münze in seinem Geldbeutel verschwinden, griff nach einem tönernen Krug und füllte ihn mit blassrotem Wein. Er feixte und grinste Boar verschlagen zu, so als wollte er sagen: »Seht ihr, so macht man das!«
Pirmen seufzte. Warum bloß glaubte er immer noch an das Gute im Menschen? Der Wirt hatte niemals ein wie auch immer geartetetes Mitleid mit diesem armen Kerl gehabt. Er hatte Harms Silbermünze in den Besitz des vermeintlichen Hohen Herrn übergehen lassen, wissend, dass dieser sie möglichst rasch bei ihm ausgeben würde.
Angewidert sah Pirmen zu, wie Erns den sauren Wein hinter der Theke mit Wasser verdünnte und anschließend einige Tropfen dunkelroter Flüssigkeit in den randvollen Krug träufelte. Es handelte sich wohl um ein zusätzliches Rauschmittel, womöglich um gegorenen Sauerampfer, wie er in Griam benutzt wurde, um die Zungen von Menschen und anderen Wesen zu lockern.
Erns stellte den Humpen vor die Nase des Säufers. Der stierte ihn an. Leckte sich über die Lippen. Griff mit einer Hand danach und nahm schließlich die andere zu Hilfe, um das Zittern der Finger unter Kontrolle zu bekommen. Er steckte die Zunge zögernd in den Sauren, als wollte er den Geschmack ganz sacht, ganz vorsichtig testen – hob den Humpen dann mit einem Ruck an und schüttete sich das schreckliche Gebräu in den weit aufgerissenen Mund, heftig atmend, gegen einen Hustenreiz ankämpfend. Flüssigkeit rann über seine Wangen und über die schmutzstarrende Kleidung. Es scherte den Mann nicht. Er trank und trank und trank. Setzte für einen Augenblick ab, rief laut: »Auf abwesende Freunde!« Und soff weiter, bis das Gefäß leer war und er nur noch Luft schnappte.
»Mehr!«, verlangte er, und dann lauter, brüllend, spuckend: »Mehr!«
»Kannst du zahlen?«, fragte Erns.
»Der Silberne Mau! Er ist für zumindest vier Humpen Wein gut, Wirt. Also mach weiter, lass den Sauren fließen!«
»Du irrst dich, Hoher Herr.« Erns lehnte sich über den Tresen. Seine Rechte streichelte sacht den Griff des Hackbeils. »Dein Silberner Mau war von schlechter Qualität. Er ließ sich biegen, die Ränder waren abgeschliffen. Siehst du?« Er holte eine Münze aus seinem Beutel, kaum halb so groß und sicherlich viel leichter als jene, die der Säufer ihm gegeben hatte.
»Das ist … ist …«
»Du hast ohnedies genug für heute, Hoher Herr. Deine abwesenden Freunde kommen nicht mehr wieder, so laut du auch schreien magst, so viel du auch in dich hineinschütten magst. Geh jetzt!«
»Aber …«
»Es gibt kein Aber, Hoher Herr!« Erns beugte sich weit zu seinem Gegenüber auf der anderen Seite des Tresens vor. »Verschwinde! Verkriech dich dorthin, wo auch immer
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