Der Gottbettler: Roman (German Edition)
stammte, und nippte an der Milch. Tatsächlich, sie war warm.
Zufrieden schloss Pirmen die Augen. Wie lange hatte er diesen Geschmack vermisst! Eine rahmige Brühe, mit einigen Bröckchen und Klumpen darin, etwas sauer schmeckend, aber so unglaublich nahrhaft … Zu seinem Glück hätte nur noch ein gut gewürztes Gemüsesüppchen gefehlt. Doch so weit durfte er vorerst nicht gehen.
»Fräulein?«
Eilidh drehte sich wieder zu ihm um und kicherte. »So hat man mich schon seit Jahren nicht mehr genannt«, sagte sie.
»Du meintest, seit Jahrzehnten«, meldete sich Boar erneut zu Wort und nahm den Schlag gegen seinen Hinterkopf hin, mit einem verdreckten Teller geführt, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Habt ihr einen Platz zum Schlafen für mich? Ich war lange unterwegs und bin müde.«
»Der Halbzwerg reden komisch.« Harm schüttelte den Kopf, wobei Schweißtropfen weithin spritzten. »Ich verstehen kaum ein Wort.«
»Die Leute von außerhalb sind seltsam, das weißt du doch.« Boar wandte sich ab und zog seinen Kumpel mit sich. Die beiden verloren ihr Interesse an Pirmen, zumal am hinteren Ende des Ausschanks ein sturzbetrunkener Gast eben eine Freirunde ausrief.
»Sal und ihr Kalb sind letzte Nacht verreckt«, sagte Eilidh. »Ihr Platz im Stall ist frei. Ich kann neue Einstreu aufschütten, sobald ich Zeit dafür finde.« Sie kam näher, eigentlich viel zu nahe, und flüsterte Pirmen vertraulich ins Ohr: »Zusätzliches frisches Stroh würde dich bloß zwei Kupfermünzen kosten. Unter der Voraussetzung, dass der Wirt nichts davon mitbekommt. Du verstehst …«
»Selbstverständlich.« Pirmen nickte und atmete erleichtert durch, als sich Eilidh mit einem Lächeln verabschiedete, dessen Grund er nicht ganz verstand. Auch sie stank erbärmlich; kaum besser als die Betrunkenen ringsum.
Pirmen fand einen Sitzplatz in der dunkelsten Ecke des Störrischen Ochsen und döste friedlich vor sich hin. Vor ihm gärte ein Fleischeintopf, den er zwar bestellt hatte, dem er aber kein sonderliches Vertrauen entgegenbrachte. Sein Magen war empfindlicher als der der meisten anderen Menschen.
Allzu gern wäre er auf sein Lager gefallen, um den lange entbehrten Schlaf nachzuholen. Doch die Pflicht kam zuerst. Er musste nach seinem Mann Ausschau halten. Musste jeden einzelnen der Anwesenden überprüfen und darauf hoffen, dass ihm heute das Glück hold war.
Die Mitglieder des Kleinen Volkes zogen sich zurück. Sie schüttelten Staub aus den Ärmeln auf ihren Tisch. Einige glitzernde Splitter befanden sich unter all dem Schmutz. Sie waren eine mehr als reichliche Entlohnung für die Biere, die sie getrunken hatten. Der Hoboke verabschiedete sich mit einem laut geschmetterten Trinklied und torkelte nach weiteren Kopfstößen gegen Querbalken ins Freie. Er würde sich irgendwo eingraben und irgendwie die Nacht überleben. Niemand wusste, woher diese seltsamen Geschöpfe ihre Zähheit hatten, doch es bedurfte vieler Hände und Schwerter, um einen von ihnen zu erlegen.
Auch die Menschen verließen nach und nach die Wirtsstätte. Sie gaben sich großspurig, und dennoch erwartete die meisten von ihnen ein vom zornigen Eheweib geschwungener Holzprügel.
»Ich hab dir einen Platz freigekehrt.«
»Hm?« Pirmen schrak aus seinem Halbschlaf hoch und blickte in Eilidhs müdes Gesicht.
»Der Stall. Eine Liegestätte für dich, kleiner Mann. Du erinnerst dich?«
»Selbstverständlich. Danke für deine Bemühungen. Ich werde aber noch ein Weilchen bleiben und die Gesellschaft der anderen Gäste genießen.«
»An deiner Stelle würde ich das bleiben lassen. Boar und Harm sind unangenehme Burschen, und je später es wird, desto bösartiger werden sie.«
»Ich weiß mich zu wehren«, log Pirmen. »Diese beiden Hornochsen können mir nichts antun.«
Eilidh betrachtete ihn mit Anzeichen leichten Interesses. Da war sogar so etwas wie ein Lächeln. »Du bist ein seltsamer Kerl. Ich würde es bedauern, deinen Leib morgen auf dem Misthaufen wiederzufinden, kalt und womöglich ein klein wenig zerschnipselt, statt im warmen Stall.«
»Ich ebenfalls.« Auch Pirmen grinste. »Ich danke dir für deine Anteilnahme.«
Eilidh wischte achtlos mit ihrem schmutzigen Tuch über die Tischplatte vor ihm, auf der schichtweise der Dreck klebte. »Also schön, kleiner Mann. Ich beende bald meinen Dienst, habe noch eine kleine Arbeit in der Schlafstube zu erledigen – und wenn ich klein sage, dann meine ich auch klein – und bin dann frei. Ich bin zu
Weitere Kostenlose Bücher