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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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darf noch einmal kräftig meine Kehle befeuchten. Was mich zu der Frage zurückbringt: Wie lange dauert es, bis diese Pisse endlich aufgekocht ist?«
    Pirmen schnüffelte ein weiteres Mal am Topf. »Es ist gleich so weit. Ich muss das Habanea bloß noch abkühlen lassen und …«
    Der Hohe Herr hielt ihm einen hölzernen Becher hin. Die Hand zitterte. »Mach schon, gieß ein! Rasch!«
    Pirmen schöpfte aus der blubbernden Brühe. Sie roch scharf, stechend und ein wenig faulig. So wie es sein sollte. »Bitte sehr.«
    »Du trinkst zuerst, Kleiner!«
    Nun, da es darauf ankam, hatte sich der Hohe Herr gut unter Kontrolle. Der Latrinenputzer sah zu, wie Pirmen zögerlich am heißen Habanea nippte und schließlich einen größeren Schluck nahm. Er schloss die Augen und genoss. Das Getränk war köstlich. Es wärmte, und es weckte die Lebensgeister. Es machte, dass seine Sinne und sein Verstand gleichermaßen an Schärfe gewannen.
    »Stell den Becher vor dir in den Schnee«, befahl der Hohe Herr. »Wir warten ein klein wenig.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Du solltest besser als ich wissen, dass manche Gifte erst mit einiger Verzögerung zu wirken beginnen, damit sich der Attentäter rechtzeitig verkrümeln kann. Ich bin lieber vorsichtig als tot.«
    »Vor einer Stunde war dir dein Leben nicht so wichtig.«
    »Vor einer Stunde wusste ich nicht, dass mich noch ein Becher Habanea erwartet.«
    »Manche Gifte wirken aber auch erst nach Stunden oder sogar Tagen.«
    »Ich weiß. Aber bis dahin könnte ich dich längst gefoltert und in Streifen geschnitten haben, um zu erfahren, ob du mir was antun wolltest.«
    Pirmen zog den Kopf zwischen die Schultern. Sein Gegenüber wusste ganz genau, wie er ihn verunsichern konnte. Und dann dieser Blick, diese unheimlichen Augen …
    Sie saßen da und starrten sich an. Das Feuer knisterte. Dichter weißer Rauch zog kerzengerade in die Höhe, um oberhalb des Windschutzes vom Sturm gepackt und sofort verwirbelt zu werden. Irgendwo heulte ein Wolf, ein anderer antwortete. Stellex bewegte sich unruhig und drängte trotz des ihr angeborenen Instinkts näher zum Feuer.
    Der Hohe Herr griff nach dem Becher und konnte das Zittern seiner Hände kaum noch unter Kontrolle halten. Er führte das Gefäß andachtsvoll an die Lippen. Nahm einen Schluck. Runzelte die Stirn. Riss die Augen weit auf. Grinste breit. Und trank dann den Becher voll Gier leer.
    »Mehr!«, verlangte er. » Viel mehr!«
    Pirmen tat ihm den Gefallen. Er schenkte nach und sah zu, wie der Barbar allmählich in den Zustand der Trunkenheit glitt. Wie er die Kontrolle über seine Gesichtszüge verlor und nur noch blöd dreinblickte, infantil grinste, mit dem Oberkörper wippte, Sinnloses vor sich hin brabbelte.
    So lange, bis das Gift seine Wirkung tat und sich so etwas wie Erstaunen beim Hohen Herrn einstellte.
    »Du … Scheißkerl«, flüsterte er mit versagender Stimme. »Du … hast mich betrogen!«
    »Natürlich.« Pirmen lächelte. »Es hat Jahre gedauert, bis ich immun gegen das beigemengte Sanderkraut wurde, und die Vergiftungen, die ich dabei erlitt, verschafften mir mehr als eine Magenverstimmung. Aber heute macht sich die weise Voraussicht meines Meisters Larex bezahlt. Und wie siehst du das?«
    Der Hohe Herr wollte aufstehen und Pirmen die Klinge in den Leib stoßen. Doch er schaffte es nicht, fiel haltlos zurück, ritzte mit dem Dolch seine linke Seite und schlug mit dem Kopf schwer auf den vom Schnee geräumten steinharten Erdboden auf.
    »Geist siegt über Kraft«, murmelte Pirmen. »Ein wahrhaft seltenes Ereignis in der Welt, in der wir leben.«
    Er nahm einen brennenden Ast, hielt ihn über das Gesicht des Hohen Herrn und starrte ihm tief in die Augen. Er sah etwas, das nicht sein konnte und nicht sein durfte und dennoch da war.
    Um der Götter willen – warum ausgerechnet er …?
    Pirmen beugte sich zu einem Ohr des Sterbenden hinab. »Ich weiß ganz genau, dass du mich hören kannst, du stinkender Misthaufen«, sagte er leise. »Ich bedauere zutiefst, was ich nun tun muss. Aber du bekommst ein Gegengift. Du wirst weiterleben, und wir beide werden gute Freunde werden. Denn du bist der Gesuchte, für den ich die Torturen der letzten Monate auf mich genommen habe. Du bist der Mann, der als Begleiter und Beschützer des Stummen Jungen auserkoren wurde.«
    »Wir sind quitt«, sagte der Hohe Herr. »Ich habe dich übers Ohr gehauen, du hast es mir heimgezahlt. Wir sollten als Freunde auseinandergehen.«
    »Du

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