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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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oder anderem Getier, das die Gegend um diese Zeit unsicher macht.«
    »Ich weiß.« Pirmen zögerte.
    »Was gibt’s denn noch?«
    »Wie soll ich Holz ohne Waffe schneiden?«
    »Das ist wohl ein Problem.« Der Hohe Herr grinste. »Aber ich bin mir sicher, du wirst es lösen. Zur Not kannst du es ja abbeißen. Andernfalls …«
    »Andernfalls bin ich tot, ich weiß.« Pirmen machte sich auf den Weg. Sein Herz schlug laut, und ihm war so warm wie schon seit Stunden nicht mehr.
    Der Kräutersud blubberte im Kochtopf. Ab und zu rührte Pirmen um, roch, schmeckte ab und verfeinerte mithilfe seiner Zutaten. Wann immer sich die Gelegenheit bot, hielt er die Hände nahe ans Feuer, aber auch nicht zu nahe. Sie waren knallrot. Es war, als würden sich Hunderte feiner Nadeln in sein Fleisch bohren, und die schmerzenden Flächen dehnten sich nach und nach immer mehr aus.
    »Pirmen ist ein seltsamer Name«, meinte der Latrinenputzer, ohne die Blicke vom Topf zu lösen, und immer wieder leckte er sich über die spröden und aufgesprungenen Lippen.
    »Ich bin recht zufrieden damit. Und wie heißt du?«
    »Nenn mich Hoher Herr. Das reicht völlig. Ich glaube kaum, dass unsere Bekanntschaft von längerer Dauer sein wird.«
    Eine weitere kaum verhohlene Drohung. Das Gesicht von Pirmens Gegenüber wirkte im flackernden Feuer wie das eines Dämons. Wie das eines besonders hässlichen Dämons, der sich lächelnd an den Qualen seines Opfers erfreute.
    »Wie lang braucht denn diese Scheiße noch?«, murrte der Hohe Herr.
    »Hab noch ein klein wenig Geduld.« Pirmen war schrecklich müde. Das Habanea würde ihm guttun. »Wie bist du eigentlich hierhergelangt, Hoher Herr? Es sind mindestens fünfzig Laufe vom Störrischen Ochsen bis zu diesem Ort. Als du gestern vom Wirt vor die Tür gejagt wurdest, sahst du nicht so aus, als würdest du einen derartigen Gewaltmarsch überstehen.«
    »Wieso das, Herr Lehrling? Gefällt dir mein Zustand nicht? Findest du, dass ich die Pflege eines Barbiers und einer Badnerin benötigte? Ich hab viel zu viele Jahre in Militärlagern, in Ausbildungsstätten und in stinkenden Kasernen verbracht, um sonderlich viel Wert auf ein gepflegtes Aussehen zu legen.«
    Und wohl auch viel zu viele Jahre in der Gosse …
    Blaue Augen musterten Pirmen. Sie glitzerten im Widerschein des Feuers und riefen bei ihm ein sonderbares Gefühl hervor, das er nicht zu benennen vermochte.
    »Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Herr Lehrling?«
    »Bitte sehr.«
    »Auch ich verfüge über magische Kräfte. Ich kann Gedanken lesen. Ich weiß ganz genau, wie du über mich denkst. Ich sehe deinen Abscheu. Deinen Widerwillen, deine Angst. Du glaubst, ich wäre unberechenbar und würde dich töten, wann immer es mir einfiele.« Der Hohe Herr lachte lauthals und warf dabei den Kopf in den Nacken. »Und du hast recht damit!«, schrie er. »Ich bin ein Wahnsinniger. In einem Augenblick bin ich friedlich wie ein Lamm, im nächsten ein Berserker.«
    Pirmen gab sich unbeeindruckt. »Du hast mir noch immer nicht gesagt, wie du es bis hierher geschafft hast.«
    »Und ob ich das habe! Es geht um Ausbildung und Abhärtung. Das Wissen ums Überleben, das ich mir in Lagern angeeignet habe. Natürlich hilft auch das Feuer, das der Saure in mir entfacht. Er macht, dass ich weiter funktioniere. Alkohol ist der Stoff, der mich am Leben erhält und mich vorwärtstreibt. Was sind da schon fünfzig oder mehr Läufe, wenn ich genug von dem Zeugs intus habe …« Der Hohe Herr wurde von einem angestrengten Husten unterbrochen, beugte sich weit nach vorn und spie in den Schnee.
    »Wie konntest du dich bloß an mich heranschleichen, ohne dass ich dich bemerkt habe?«, fragte Pirmen.
    »Was für eine Frage!« Der Hohe Herr schüttelte den Kopf. »Du bist ein unvorsichtiger Idiot. Du siehst bloß das, was du sehen willst. Ein schwarzer Fleck inmitten weißen Schnees ist für dich ein trockenes Stückchen Erdreich, auf dem du dein Lager errichten kannst. Du kommst gar nicht auf den Gedanken, dass es sich dabei um ein Bündel Mensch handeln könnte, das dort zusammengebrochen ist und auf den Tod wartet.«
    »Moment mal! Du bist … ich meine …«
    Schallendes Gelächter. »Natürlich, Herr Lehrling! Ich war bereits mehr tot als lebendig und habe auf das Erscheinen des Großen Gleichmachers gewartet, als mich das Wiehern deines Gauls weckte. Ich weiß nicht, ob ich dankbar oder traurig sein soll, dass es mich in dieses Jammertal zurückrief. Aber immerhin, ich

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