Der Gottbettler: Roman (German Edition)
grimmig, zeigten aber nun mehr Respekt und ersparten sich weitere Grobheiten.
Terca verzichtete im Gegenzug auf eine weitere Unterhaltung. Fren Hossa war kein schlechter Kerl, doch sein Horizont war eingeschränkt. Er wusste gewiss nicht über die Ränkespiele der Oberstadt Bescheid, und schon gar nicht darüber, wie weit der Machtbereich der hiesigen Händler reichte. Man munkelte über Verbindungen in ein jedes Land rings um die Cabrische See und auch über intensive Kontakte zu den sagenhaften Schwimmenden Städten, den Oceanica. Nur deshalb sei Poitrea im Gegensatz zu den meisten anderen Steilstädten von den Herren des Ozeans weitgehend verschont geblieben.
Pero Krotvie also. Ein Weinsack, der selbst oft genug den Grund seiner Fässer zu sehen bekam. Ein verkommener Kerl, der Moral und Anstand mit Füßen trat. Wie wir alle, die wir uns als Lenker und Denker Poitreas betätigen. Der Unterschied ist: Er empfindet keinerlei Reue bei dem, was er tut. Ich hingegen steige fast jeden Tag in die Wand und warte auf Erlösung, auf Absolution.
Über verschlungene Wege ging es zu einem Hochzug-Eimer. In diesen frühen Stunden, kurz vor der Dämmerung, ließ sich kaum ein Wesen auf den Straßen blicken. Die wenigen Passanten, Betrunkene oder jene, die ein nächtliches Gewerbe verfolgten, wichen ihnen mit jenem untrügerischen Instinkt aus, mit dem der geübte Unterstädter einer Gefahr aus dem Weg ging.
Eine mürrische Frau scheuchte sie in einen der Eimer, den sie hinter ihnen schloss, und gab dann Zeichen, die Auerochsen an der Winde anzutreiben. Die Tiere protestierten laut brüllend, machten sich aber an die Arbeit. Das Gefährt ruckelte unsanft nach oben, zwischen eiserne Gestänge gefasst. Fackellichter markierten den Weg nach oben, hinauf zur Mittelstadt, in der sie rasch umstiegen und einen weiteren Eimer zur Oberstadt nahmen.
Siebzig Mannslängen Höhenunterschied und mehr mussten sie überwinden. Sie glitten in eine Schrägfahrt, zwischen immer näher kommenden Felswänden, hinein in jene Schluchten, die von unten kaum zu erahnen waren. Hier wohnten die Reichsten der Reichen, fernab der Probleme und Sorgen des Normalbürgers, geschützt vor deren Blicken, als wollten diese Herrschaften vom Rest der Welt isoliert bleiben. Der Transporteimer blieb dank der Kippgelenke in aufrechter Position. Mit den ersten Morgenstrahlen schälten sich die von vielen Mysterien umrankten Häuser der Oligarchen aus den Schatten.
Da war die Wasserburg des Kasbel Mirach, jenes Mannes, der mit Sklavenverleih ein Vermögen verdiente. Auf dem Dach des Gebäudes sprudelte selbst zu dieser Morgenstunde kühles Nass aus einem Springbrunnen in Form eines steinernen Kraken. Es wurde mithilfe eines komplizierten Pumpsystems über zig Meilen hierhergeleitet, bloß um das Auge des Patriarchen und seiner beiden mannstollen Töchter zu erfreuen.
Dort war das »Vogelnest«, ein wagemutiger Bau, der weit aus dem Fels hervorsprang und von einem Geflecht stählerner Seile gehalten wurde. Es gehörte Orama Pesial, der reichsten Apothekerin Poitreas, über deren Mittelchen viel bösartiger Klatsch im Umlauf war. Ein drittes Gebäude, in den engsten Bereich eines Felsspalts geklemmt und kaum einmal von Licht beschienen, war Eigentum der Magicae-Gilde. Man munkelte, dass der Bau bereits seit einigen Jahren verwaist war. Doch seltsame Lichterscheinungen, die ab und an des Nachts zu beobachten waren, sprachen gegen diese Gerüchte.
Der Eimer näherte sich seiner Endstation. Weitere Wächter starrten ihnen grimmig entgegen. Sie trugen bunte Uniformen und klammerten sich an überlange Lanzen, die im Falle einer Auseinandersetzung ihre Träger mehr behindern würden, als den Gegnern gefährlich zu werden.
Terca wartete geduldig, bis der Eimer zum Stillstand gekommen war, und verließ ihn dann festen Schritts. Sie ließ sich nicht vom schwindelerregenden Ausblick irritieren, der weit über die See reichte, und auch nicht von den Simsen, die kaum breit genug waren, um einer Person Platz zu bieten. Stürmischer, böiger Wind pfiff ihr um die Ohren. Es war hier nicht viel anders als in der Wand. Nur dass keinerlei Magie zu spüren war.
»Nach rechts!«, rief ihr Fren Hossa zu.
»Ich weiß.« Terca drängte an den versammelten Söldnern vorbei und hielt sich an den Führungsstangen des Kletterstegs fest. Der Weg führte über eine gewagte Brückenkonstruktion zur gegenüberliegenden Seite eines schmalen Felseinschnitts, dann nahm Terca eine kaum erkennbare
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