Der Gottbettler: Roman (German Edition)
hast.«
»Du kennst mich schlecht, Pero. Ich lege keinen Wert auf Rache.« Weil ich sie schon bekommen habe, ohne dass du es weißt, alter Weinsack! Das eine Balg habe ich auf den Geschmack eines süchtig machenden Rauschmittels gebracht, das sie über kurz oder lang töten wird. Das andere hatte unglücklicherweise eine nächtliche Begegnung mit einem Kerl, dessen ansteckende Krankheit irgendwann zum Ausbruch kommen wird.
Sie betraten den Wohnraum, ein von Pflanzen überwachsenes Refugium, das den überraschend guten Geschmack des Händlers offenbarte. Ein jahrhundertealter Weinstock war alles beherrschend; seine Wurzeln durchzogen den erdigen Boden, das füllige Blattwerk überspannte den deckenlosen Raum. Und als hätte Pero Krotvie ein ganz besonderes Schauspiel geplant, warf die Sonne ihre ersten Strahlen über das Geflecht aus Grün und Braun.
»Sehr beeindruckend«, sagte Terca – und meinte es auch so. Es war, als würde der Raum auf einen Schlag zum Leben erwachen; als würden die Kletter- und Efeupflanzen kräftig Atem holen und die vielen, vielfältigen Orchideengewächse mit einem Mal ihre Blütenkelche in Richtung des wärmenden Gestirns ausrichten. Das Zimmer begann sich zu strecken, zu leben, nach den dunklen Stunden wieder zu erwachen.
»Ist es hier nicht viel schöner als in den Höhlen deiner viel geliebten Unterstadt?«, fragte Pero Krotvie leise, lauernd.
»Ja, das ist es.« Terca flüsterte die Worte. »Aber dort unten ist das wahre Leben. Die Existenz, die du dir hier errichtet hast, ist kaum mehr als ein Trugbild, eine Illusion. Das Bild einer Welt voll Schönheit und Harmonie, wie es sie in Wirklichkeit nicht gibt.«
»Aber es ist schön hier!«, beharrte der Weinhändler, verärgert über ihre Worte.
»Streiten wir uns also wieder?«
Pero zögerte und nickte dann. »Verzeih mir. Es gibt Wichtigeres, über das wir zu sprechen haben, als persönliche Differenzen.« Er klatschte in die Hände, und zwei Bedienstete tauchten wie aus dem Nichts auf. Sie brachten Teller voll Fleisch und exotischer Früchte, die zwischen Eisklumpen lagen. Zwei Schüsseln, gefüllt mit dampfenden Suppen. Kekse. Hellen und dunklen Honig. Drei verschiedene Kuchen. Hartbrot, Aufstriche, Würste, Pasteten, Salate, Gemüse, ein halbes Dutzend Flaschen Wein, Tee …
»Das ist genug, um fünfzig Leute zu sättigen«, murmelte Terca.
»Wie wär’s, wenn du einfach Danke schön sagst und zugreifst, ohne darüber nachzudenken, wie du die Bewohner der Unterstadt retten kannst?« Pero hieb verärgert gegen eine Luftwurzel, die Teil jenes Sitzmöbels war, auf dem er sich eben niederlassen wollte.
»Du weißt, dass ich nicht aus meiner Haut kann.«
»Ich weiß, dass du auf der einen Seite die Welt retten möchtest und auf der anderen dafür sorgst, dass sie so bleibt, wie sie ist – oder sie sogar noch schlimmer machst.«
»Das ist meine Natur. Mein Fluch, wenn du so möchtest.« Warum stritt sie bloß mit diesem fetten, hässlichen, stinkenden und widerlichen Kerl? Er war bloß einer von vielen aus der Oberstadt, den sie bezirzt und für ihre Zwecke eingespannt hatte, und er war noch nicht einmal der Bedeutendste gewesen. Ein jeder Mann fand sie begehrenswert, wenn sie es wollte, immer noch, und sie hatte keinem Einzigen von ihnen einen Platz in ihrem Herzen geschenkt. Männer waren stets Werkzeuge für sie gewesen. So lange, bis die Besuche in der Wand einen immer größeren Stellenwert eingenommen hatten.
»Wenn du weder Hunger noch Appetit hast, dann iss eben nicht.« Pero zuckte mit den Achseln. »Ich werde mich jedenfalls nicht davon abhalten lassen, mir den Magen vollzuschlagen.«
»Natürlich nicht.« Terca sah zu, wie der Weinhändler einen Teller mit allem Möglichen volllud und dann das Essen in sich hineinzuschaufeln begann. Um nach wenigen Sekunden aufzuhören und den Teller angewidert zur Seite zu schieben. »Du hast das seltene Geschick, mir den Appetit zu verderben.«
»Wenn ich deine Wampe betrachte, würde ich sagen, dass du jemanden wie mich öfter mal in deiner Umgebung brauchen könntest.«
»Ach, halt doch den Mund …«
Schritte näherten sich, Kichern erklang. »Onkel Pero!«, rief jemand. »Bist du da? Hast du dich versteckt?«
Der Weinhändler verdrehte die Augen und sagte mit betont ruhiger Stimme. »Ich habe zu tun, mein Schäfchen. Geh zurück zu deiner Schwester ins Schlafzimmer und …«
»Da bist du ja, mein Bärchen!«
Ein dunkelhaariges Etwas, schlank, langbeinig und
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