Der Gottbettler: Roman (German Edition)
lieferst dem Gottbettler Tausende Menschen aus, damit sie in dessen Söldnerheere übernommen und dort Behandlungen unterzogen werden, über die wir nicht die geringsten Vorstellungen haben. Um dann gegen die anderen freien Völker des Weltenrunds zu kämpfen und den Hass, den der Gottbettler hegt, weiter zu verbreiten.«
»Wir müssen es tun!«, flüsterte ihr Pero Krotvie ins Ohr. Sein Atem roch nach bitterer Schokolode. »Nur so gewährleisten wir den Weiterbestand Poitreas.«
»Nur so gewährleistet ihr den Weiterbestand eurer Herrschaft.«
»Das eine bedingt das andere.«
»Bist du dir bewusst, wie zynisch deine Worte sind?«
»Ich habe mir von der größten Zynikerin Poitreas einiges abgeschaut.«
Terca streifte die Hand des Weinhändlers ab, während sie sich erhob, und tat einen Schritt weg von ihm. »Was erwartest du von mir, Pero? Dass ich in die Unterstadt hinabsteige, von Haus zu Haus gehe und Todesurteile verkünde?«
»Wir wissen nicht, was mit den Wesen geschieht, die in die Heerscharen des Gottbettlers aufgenommen werden. Womöglich haben sie ein tolles Leben, mit vielen Abenteuern in fernen Landen und so. So wie es sich der einfache Mann von der Straße vorstellt.«
»Halt dein Maul!«, fuhr Terca ihn an. »Ich werde mir diesen Unsinn nicht länger anhören …«
»Und was wirst du tun, du alte, welk gewordene Engelmacherin? Eine Ansprache an die Bewohner aller Stadtteile vorbereiten, in der du kundtust, dass Poitrea in Kürze untergehen wird?«
»Wir werden uns wehren, und wenn es sein soll, sterben wir.«
»Das willst du ihnen sagen? Wie, meinst du, wird das ankommen, wenn ich aussprengen lasse, dass wir mit einem weitaus geringeren Opfer einen Großteil der Stadt retten könnten?«
»Es ist falsch!«, schrie Terca. Und noch einmal: »Es ist falsch!«
»Das zu beurteilen, meine Liebe, liegt nicht an dir. Im Übrigen habe ich dich nicht hergebeten, um über die Entscheidungen der Hohen Herren zu diskutieren. Du solltest die Möglichkeit erhalten, deine Schutzbefohlenen in der Unterstadt auf das Unausweichliche vorzubereiten.«
»Meinst du etwa, dass ich deine Erfüllungsgehilfin gebe?«
»Du bist alt und schwach geworden, Terca. Andere drängen nach und machen dir den Platz als Herrscherin in der Unterstadt streitig, und das nicht erst, seit du einen Großteil deiner Tage in der Wand verbringst. Es kostet mich bloß ein Fingerschnippen, um irgendjemanden statt dir einzusetzen, der weitaus gefügiger ist.«
Er hatte recht. Terca wusste es, und sie hasste Pero dafür, dass er ihr die Wahrheit so unverblümt sagte. Am liebsten wäre sie ihm ins Gesicht gesprungen, hätte ihm die Augen ausgekratzt und … und …
»Wir sollten diese Farce beenden«, sagte eine dunkle, hohl klingende Stimme. »Kommen wir zum Geschäft.«
Terca fühlte, wie sich eine Gänsehaut über ihren Rücken zog. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass ein Feind hinter ihr stand. Einer von … ihnen.
»Du hattest recht«, sagte Pero Krotvie über ihre Schulter zu demjenigen, der hinter Terca stand. »Ich bin viel zu nachsichtig mit diesem Gesindel. Der Pöbel hat ohnedies nichts zu sagen oder zu bestimmen, also brauche ich auch nicht auf die Anführerin des Pöbels zu hören.«
»Eine weise Entscheidung, Hoher Herr.«
Terca drehte sich langsam um und sah den Neuankömmling an. Er trug wie erwartet den weiten Anzug eines Magicus. An die Kragenaufschläge war die goldene Faust gestickt, Symbol des Heers des Gottbettlers. Sein Körper war zum Großteil unter dem Stoff verborgen, doch Terca erahnte die Verkrüppelungen und Narben. Das verkürzte rechte Bein, eine nässende Wunde im Magenbereich, die faulig gewordene Zunge, ein schielendes und triefendes Auge. Allesamt Folgen der Kämpfe im hierarchischen Gefüge der Magicae. »Und du bist …?«
»Mirem Zaug.« Der Hagere scherte sich nicht um die Umgangsformen. Weder verbeugte er sich, noch nickte er ihr zu. »Einer der Stellvertreter des mächtigen Nontwede, seines Zeichens Oberhaupt der Magicae-Gilde, die Metcairn Nife mit Rat und Tat beiseitesteht.«
»Er ist hier als Unterhändler des Heerführers«, ergänzte Pero Krotvie. Er lächelte. »Die Gespräche sind so weit gediehen, dass …«
Terca atmete tief ein, aktivierte gedankenschnell ihr Dusus – und warf sich dem Magicus entgegen. Sie schob die Hexenkraft, die mit einem Mal rings um sie war, wie ein Luftpolster vor sich her, wie eine Masse, deren Schwung kaum zu bremsen war und die
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