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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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umrundend.
    Ihr blieb keine Wahl mehr. Sie musste den Sprung nach unten ins weit gespannte Netz wagen, etwa vier Meter tief, und dann auf ihr Glück beim Balanceakt vertrauen.
    Oder?
    Terca traf eine dumme, unlogische Entscheidung. Eine, die sie aus einem Bauchgefühl heraus fällte. »Kommt nur, meine beiden Freunde«, flüsterte sie und winkte den Leibwächtern, die sich gewiss nicht übertölpeln ließen.
    Ihre Dusus. Ihre letzten Kraftreserven. Terca musste jetzt auf sie zurückgreifen. Sie glitt auf den linken der beiden Männer zu, wich seinem Hieb aus, duckte sich, brachte ihn mit einer Beinschere zu Fall und entriss ihm die Waffe. Der zweite Soldat war heran, stieß zu und zog sich blitzschnell wieder zurück. Auch der erste war schon wieder auf den Beinen. Er wechselte das kürzere Schwert in seine eigentliche Schlaghand und bedrängte sie, kaum beeinträchtigt von ihrem überfallartigen Beinschlag.
    Die Dusus war so gut wie erschöpft. Terca musste handeln, jetzt gleich. Sie wich gut gezielten Schlägen aus. Hinter ihren beiden Gegnern drängten weitere Wächter nach oben, der hochrote Kopf Pero Krotvies zeigte sich zwischen dem Geäst des Weinstocks, mit einer deutlichen Schwellung im Schläfenbereich.
    Da war die Haltetrosse. Sie war in die Ecke des Gebäudes gespannt. Mit all ihrer verbliebenen Kraft hieb sie zu, und das stark gespannte Seil zerfaserte. Ein zweiter Schlag. Sie wich dem Gegner aus, behauptete aber ihren Platz, drängte den Söldner zurück. Immer mehr Fasern des mehrfach gedrehten Seils platzten, und Terca steckte das Beuteschwert schnell in den Gürtel. Dann riss das Seil mit lautem Knallen. Terca bekam es gerade noch zu fassen und wurde ruckartig nach oben gerissen, so kräftig, dass sie meinte, es würde ihr die Schultern auskugeln.
    Das Haus fiel unter ihr weg; zumindest hatte sie diesen Eindruck. Eigentlich war es bloß, eines von mehreren Halterungseilen beraubt, einen Meter tiefer geruckt, um nun mit mehr Gewicht auf den Bodenseilen zu ruhen. Terca indes wurde an dem gerissenen Tau wie eine Puppe in die Höhe geschleudert. Mit aller verbliebenen Kraft hielt sie sich fest, während sich Oben und Unten umkehrten und sie nun den Unwägbarkeiten ihres waghalsigen Tuns ausgeliefert war.
    Sie erreichte den Scheitelpunkt ihrer Reise hoch in die Luft. Für einen Moment glaubte sie, wahrhaftig zu fliegen und wie ein Adler in der Luft zu stehen, getragen von Aufwinden. Sie bräuchte nur noch die Arme zur Seite wegzustrecken und sich davontragen zu lassen, hinein ins Blau und Grau des Himmels. Doch das Gefühl der Leichtigkeit ließ rasch nach. Sie wurde schwerer und schwerer, stürzte zurück auf das Haus zu, das aus dieser Höhe so winzig klein erschien. Die Söldner waren Spielzeugfiguren, die mit Schwertern aufgeregt in ihre Richtung fuchtelten. Sie meinte sogar, Fren Hossa zu erkennen, der eben mit schweren Beinen das Dach erklomm und sich in die Schar der Gegner einordnete.
    Terca sammelte, was an Dusus noch übrig war. Bereitete sich auf den neuerlichen Ruck vor, wenn das Seil knapp über dem Haus Pero Krotvies auspendelte. Wie sollte sie diesen Augenblick abschätzen, während alles rings um sie verwirbelte und sie ein stürzendes Etwas war, das sich wie eine gliederlose Puppe drehte und überschlug und dem der Mageninhalt hochzukommen drohte, da alle ihre Wahrnehmungen durcheinandergerieten?
    Der Sturz dauerte nur wenige Augenblicke, doch was sie in dieser Zeitspanne durchlebte und fühlte, hätte ganze Bücher gefüllt. Sie umwickelte beide Hände rasch mit dem Tau und machte sich bereit.
    Jetzt!, sagte sie sich und konzentrierte die Dusus-Reste in eine Abwehrhaltung. Sie fühlte den Ruck des unnachgiebigen Seils, das seine volle Länge erreichte und auspendelte.
    Da war Schmerz, doch er war unbedeutend. Die Dusus schützte sie vorerst. Ihre Beine hingen etwa zwei Meter über dem Dach des Hauses. Sie fühlte jemanden – oder etwas – unter sich. Ein Mann tastete nach ihr. Sie trat aus, fühlte Widerstand, trat nun auch mit dem anderen Bein zu, an dem Seil hin und her pendelnd. Jemand schrie. Ein Söldner inmitten der Masse jener Gegner, die nach ihr griffen, kaum als Einzelwesen wahrnehmbar, taumelte das Dach entlang, stolperte über eine Weinranke und kullerte vom Dach in die Tiefe, sein Schwert umklammernd, und weil er es aus einem Grund, den Terca nicht nachvollziehen konnte, weiterhin festhielt, stürzte er durch eine Lücke im Bodennetz des Hauses in diese bodenlose

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