Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Wand wartet auf dich.«
Terca ging nicht darauf ein. Der Weinhändler hatte sich gut auf die Begegnung mit ihr vorbereitet. Er wusste ganz genau über ihre Umtriebe Bescheid. »Also – wofür benötigt man die Bevölkerung der Unterstadt, wenn nicht für den Kampf gegen die Truppen des Gottbettlers?«
»Oh, es geht natürlich um ihn und sein Schoßhündchen Metcairn Nife. Aber in einem anderen Zusammenhang, als du glaubst.« Pero Krotvie stand ächzend auf, rieb sich den kugelrunden Bauch und trat an jenes Fenster, von dem aus man durch die Felsspalte auf die See blicken konnte. »In der Gosse spricht man über die schrecklichen Dinge, die der Gottbettler auf seinen Eroberungsfeldzügen anrichtet«, fuhr er fort. »Doch es gibt auch eine andere Sichtweise der Dinge. Man könnte zum Beispiel sagen, dass dieser Mann, über den wir noch so wenig wissen, eine Art Flurbereinigung durchführt. Er reißt alte Krusten auf und sorgt dafür, dass Neues nach oben dringt. Er sorgt für eine Neuordnung. In der Politik, im Handel, in den Machtverhältnissen der Länder.«
»Worauf willst du hinaus, Pero?« Ihr schwindelte. Sie wollte nicht hören, was der Weinhändler zu sagen hatte. Sie hatte Angst davor. Und dennoch musste sie bleiben und die Schönredereien des Hohen Herrn ertragen.
»Metcairn Nife hat großen Erfolg auf seinen Eroberungsfeldzügen. Er ist ein gewiefter Taktiker, und er verfügt über Ressourcen wie kein anderer Feldherr des Weltenrunds.«
»Er ist eine Bestie in Menschengestalt …«
»Lass mich ausreden, Terca. Denn auch mit sogenannten Bestien kann man verhandeln. Schließlich möchte ein erfolgreicher Kriegsführer nicht nur niederreißen, sondern – vor allem dieser – auch Neues aufbauen. Sonst hätte eine Eroberung keinen Sinn, nicht wahr?«
»Sag es nicht, Pero. Bitte!« Sie streckte abwehrend die Hände aus.
»Die Heerscharen des Gottbettlers haben sich nach der Eroberung des Landes Lirballem und Süd-Aenas westwärts gewandt. Der Norde ist so gut wie erobert, wie auch das Hinterland Mirces. Nun haben die Steilstädte Metcairn Nifes Begehrlichkeit geweckt. Die vier Städte und der Ponton von Xyrecus sind die letzten freien Flecken an der Nordküste der Cabrischen See. Wir verteidigen eine Freiheit, auf die wir stets stolz waren und die wir als höchstes Gut in Ehren halten. Aber sie ist in Gefahr angesichts der Kräfte, über die der Gottbettler gebietet.«
Terca tat auf einmal das Herz weh. Sie wusste, was nun kommen würde, doch sie wollte es unter keinen Umständen hören. »Nein, Pero! Ihr könnt keinesfalls …«
»Es ist an der Zeit, im Namen der Freiheit einige Opfer zu bringen. Ich denke, dass jeder vernünftige Bürger Poitreas und der anderen Städte verstehen wird, dass wir, um unsere Rechte zu erhalten, einige Dinge aufgeben müssen. Und einige Leben.«
»Nicht das! Wie könnt ihr es bloß wagen, über die Köpfe der Stadtbewohner hinweg …«
»Über die Köpfe der Schafe hinweg, meinst du wohl, Terca!« Der Händler machte eine unwirsche Handbewegung. »Jener Schafe, die bloß laut mähen, wenn sie aus einer Ecke ihres Stalls in die andere getrieben werden, und keine Ahnung haben, warum sie sich überhaupt bewegen. Denn es gibt Wölfe, die über sie wachen, von Zeit zu Zeit ein besonders dickes Exemplar aus der Herde picken und es verzehren und den Rest der Herde ansonsten in dem Glauben lassen, dass sie selbst über ihr Schicksal bestimmt.« Er schlug mit der Faust gegen eine verholzte Weinwurzel, die Schwingungen des Hiebs setzten sich über den Boden fort und machten, dass das Haus ein klein wenig schwankte. »Es hat seinen Grund, dass sich die Hohen Herren in die oberen Bereiche Poitreas zurückgezogen haben. Wir blicken nicht nur auf die Schafe hinab. Wir denken für sie, wir lenken sie. Wir machen, dass sie springen, wenn wir es wollen, und dass sie sterben, wenn wir es für nötig erachten.« Pero lachte meckernd. »Wir sorgen sogar für einen stetigen Nachschub an lieben kleinen Kinderlein!«
»Ihr wollt uns verkaufen«, sagte Terca tonlos. »Die Bewohner der Unterstadt sind das Bestechungsgeld dafür, dass der Gottbettler Poitrea in Ruhe lässt.«
»Du warst selbst einmal ein Wolf. Ein äußerst erfolgreicher, möchte ich hinzufügen.« Er hatte sich wieder umgedreht und war auf sie zugegangen, legte ihr eine Hand auf die Schulter. Seine Berührung fühlte sich weich und nachgiebig an. Wie ein Batzen Schleim, den jemand auf sie gespuckt hatte.
»Du
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