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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Purpurfaden, dort drei Fäden aus Gold. Siehst du?«
    Meine Bestürzung muss ich nicht heucheln. Tief atme ich durch. »Und was bedeutet das?«
    »Dass sich das verdammte Judenpack verschworen hat, den Haram ash-Sharif zu entweihen!«, ereifert er sich.
    »Wer hat sich verschworen?«, frage ich nach.
    »Die Juden«, faucht er. »Es sind immer die verfluchten Juden, die Unruhe stiften und den Frieden stören!«
    Das darf doch nicht wahr sein!
    »Ich bin Jude«, entgegne ich eisig. »Glaubst du, dass ich mich an dieser Verschwörung beteiligt habe? Willst du mich stillschweigend des Hochverrats beschuldigen, weil ich Jude bin? «
    Er weiß, dass er zu weit gegangen ist. »Nein, Emir, das lag mir fern. Bitte verzeih, ich … äh … Ich wollte keinesfalls andeuten, dass du … Gott bewahre!«
    »Schon gut!«, winke ich unwirsch ab. »Sei in Zukunft etwas zurückhaltender mit deinen Anschuldigungen! Nach deiner Freitagspredigt gestern Mittag kam es zu blutigen Straßenkämpfen im jüdischen Viertel. Die Juden sind in die Synagoge geflohen, bis meine Mamelucken sie daraus befreit haben. Derartige Gewalttätigkeiten werde ich nicht dulden. Noch eine hasserfüllte antijüdische oder antichristliche Hetzpredigt in der Al-Aqsa, und ich werde dich persönlich zur Rechenschaft ziehen! Das schwöre ich bei Gott.«
    »Aber …«
    »Hast du mich verstanden?«, herrsche ich ihn an.
    »Ja gewiss, Emir«, beteuert er, neigt den Kopf und legt beschwichtigend die Handflächen gegeneinander. »Da ist noch etwas, was du wissen solltest. Nachdem wir gestern Abend den Tallit fanden, hat sich der jüdische Händler in der Kettenstraße daran erinnert, dass ein junger Mann, ein Pessachpilger aus Isbiliya, den Gebetsschal bei ihm gekauft hat. Dieser Yonatan ben Eleazar hat gelogen, schamlos gelogen.«
    Mein Blut gerinnt zu Eiskristallen. »Wie kommst du darauf?«
    »Ein Freund von mir hat gesehen, wie gestern Morgen eine junge Frau um diesen Tallit feilschte. Sie stand mit Yonatan in der Kettenstraße und hielt die Goldfäden der Seide ins Sonnenlicht, um die Qualität der Ware zu prüfen. Sie muss an dem Vorfall im Felsendom beteiligt gewesen sein.«
    Allmächtiger Gott, tu mir das nicht an!
    »Eine Frau?«, frage ich und hoffe, dass er mir meine Angst um Alessandra nicht anmerkt. »Hat dein Freund sie erkannt?«

· Alessandra ·
Kapitel 33
    Auf dem Weg zur Grabeskirche
    17. Dhu’l Hijja 848, 20. Nisan 5205
    Karsamstag, 27. März 1445
    Kurz vor zehn Uhr morgens

    In der dicht gedrängten Menge, die singend und betend zur Grabeskirche strömt, um das Heilige Feuer zu sehen, hätte ich beinahe die Jungen aus den Augen verloren. Die orthodoxen Pilger ziehen mit Ikonen, Kerzen und Blumen an mir vorbei, während ich im Muristan nahe dem Hospital der Johanniter an eine Hauswand gepresst stehen bleibe, um auf die Kinder zu warten.
    Da ist Basilios!
    Geschwind springe ich vor, packe ihn am Arm und zerre ihn zwischen zwei Pilgern hervor, die ein schweres Kreuz durch die Gasse schleppen. Dann tauchen Khalid und Akiva auf. Ihnen folgen Karim und Ioannis, die sich mit gesenktem Kopf und erhobenen Ellbogen zwischen den Pilgergruppen hindurchdrängen und zu mir herüberkommen.
    Beunruhigt blicke ich mich um. Wo steckt Elija?
    Der Dominikaner, der mich verfolgt, seit ich vor zwei Stunden die Zitadelle verlassen habe, drängt in Richtung der Grabeskirche – als er mich sieht, bleibt er stehen, zerrt hastig die Almosenschale aus dem Habit und zupft die Pilger am Ärmel. Doch er ist nicht bei der Sache. Dass ihm ein Pilger eine Münze in die Schale wirft, sieht er nicht, weil er mich aus den Augenwinkeln beobachtet.
    Diesem Bettelmönch fällt das Bitten um Almosen sichtlich schwer. Und er ist bewaffnet. Wer, zum Teufel, hat ihn geschickt?
    Elija – na endlich! Er kommt von der Grabeskirche, wo er auf uns gewartet hat, zwängt sich zwischen den Pilgern hindurch zu mir und grinst, als er meine Erleichterung bemerkt, zufrieden von einem Ohr zum anderen. Glaubt er denn, er kann mich auf diese Weise umstimmen, damit ich ihn heute Abend nicht zu Rabbi Eleazar schicke?
    Ganz selbstverständlich schiebt Elija seine Hand in meine und zieht mich hinter sich her zum Vorhof der Grabeskirche.
    An den Fassaden der Kapellen von Maria Magdalena, Johannes und Jakobus auf der linken Seite des Vorhofs lehnen etliche vier oder fünf Ellen hohe Kreuze. Muslimische Händler verkaufen sie an Pilger, die gestern vor der Karfreitagsprozession in der Via Dolorosa noch kein Kreuz

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