Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
schwarzes Skapulier verdeckt, trägt er ein rotes Kreuz, das einem Templerkreuz ähnelt. Er ist bewaffnet. Und sehr gefährlich.«
    Mar Philoxenos liest den Brief zum zweiten Mal und starrt geistesabwesend auf das päpstliche Siegel.
    »Seine Heiligkeit hat mich ermächtigt, den Papyrus nach Rom zurückzubringen.«
    Er sieht zögernd auf und nimmt mit einer zerstreuten Geste, die seine innere Aufgewühltheit verrät, die Brillengläser ab. Meinem Blick weicht er aus, als er »Komm mit!« nuschelt.
    Beunruhigt folge ich ihm durch die Basilika. Wie einst im jüdischen Tempel gibt es in jeder syrischen Kirche einen Vorhang, der das Allerheiligste vor Blicken schützt, wo Gott selbst erscheint und einen Bund mit den Menschen schließt. Auf dem Altar erkenne ich das Thabilitho, den durch Brokatstoff verhüllten Altarstein, auf dem die Eucharistie gefeiert wird. Das Thabilitho symbolisiert das Kreuz, an dem Jesus Christus starb.
    In der Markuskirche sind nur noch wenige Gläubige. Sie haben sich nach Osten, zum Tempelberg, gewandt und singen mit ausgebreiteten Armen ihre Gebete auf Aramäisch. Die meisten christlichen Pilger drängen sich bereits in der Grabeskirche, wo in Kürze der griechische Patriarch in einer feierlichen Zeremonie das Osterfeuer entzünden und an die Gläubigen verteilen wird.
    Wir verlassen die Basilika und betreten das angrenzende Kloster. Mar Philoxenos geleitet mich durch einen Kreuzgang in einen Korridor, der zu den Zellen der Mönche führt. Vor einer der Türen bleibt er unvermittelt stehen.
    Er atmet tief durch. »Der Mönch, den du suchst, ist Mar Abdul Masih. Vor vier Tagen war ein Mann bei ihm, auf den deine Beschreibung passt. Es war kurz vor dem Abendgebet. Ich habe ihn nur von Weitem gesehen und ihn wegen des schwarzen Skapuliers über dem weißen Habit für einen Dominikaner gehalten. Er hat Mar Abdul Masih gebeten, ihm bei der Übersetzung einer biblischen Schriftrolle zu helfen.«
    »Eines biblischen Textes?«, frage ich verwirrt.
    Mar Philoxenos zuckt mit den Schultern und hebt hilflos die Hände. »Tut mir leid, das ist alles, was ich weiß.«
    »Kann ich mit Mar Abdul Masih sprechen?«
    Traurig begegnet er meinem Blick und schüttelt langsam den Kopf.
    »Warum nicht?«, frage ich – und ahne es doch schon …
    Mar Philoxenos öffnet die Tür und lässt mich einen Blick in die Zelle werfen. Bücher, Pergamente und Papyri sind auf dem Schreibtisch verstreut, einige kostbare Folianten, die vermutlich aus meinem Scriptorium in Florenz stammen, liegen in einer Lache aus schwarzroter Tinte auf den Steinfliesen.
    Ich blinzele und sehe genauer hin.
    Nein, es ist keine Tinte.
    Mein Gott, so viel Blut!
    »Mar Abdul Masih wurde heute Nacht ermordet«, offenbart mir der Abt mit tonloser Stimme.
    Meine Knie werden weich. Ich muss mich festhalten.
    Von Entsetzen erfüllt wende ich mich zu Mar Philoxenos um. »Und der Papyrus?«

· Yared ·
Kapitel 32
    Im Empfangssaal des Emirs in der Zitadelle
    17. Dhu’l Hijja 848, 20. Nisan 5205
    Karsamstag, 27. März 1445
    Neun Uhr dreißig morgens

    »Yusuf Abu Talib, der ehrenwerte Imam des Haram ash-Sharif, wünscht den Emir zu sprechen‹«, verkündet Benyamin mit verkniffenem Gesicht und verdreht genervt die Augen.
    »Ich lasse bitten«, nicke ich und verkneife mir ein Schmunzeln.
    Der Imam rauscht in den Empfangssaal und verneigt sich vor mir. »Es-salamu alekum.«
    »W’alekum es-salam«, erwidere ich seinen Gruß.
    »Wie ich sehe, hast du den … ähm … Schwächeanfall von gestern Mittag überwunden, Emir.«
    »Es geht mir gut.«
    »Al-hamdu li-llah! Alles liegt in der Hand des barmherzigen Gottes.«
    »Was kann ich für dich tun?«
    »Bism’Allah«, murmelt er. »Emir, du erinnerst dich gewiss an den Vorfall im Felsendom, von dem ich dir gestern berichtet habe.« Er zieht den mit Tayebs Blut getränkten Merkfaden aus der Tasche seiner Djellabiya. »Diesen Seidenfaden haben wir nahe der aufgebrochenen Marmorplatte gefunden. Der Jude hatte ihn verloren. Dieser Tallit …«, erneut greift er in die Tasche und zerrt einen jüdischen Gebetsschal hervor, entfaltet ihn schwungvoll und breitet ihn vor mir aus, »… dieser Tallit wurde gestern Abend außerhalb des jüdischen Viertels gefunden. Wie du sehen kannst, Emir, fehlt ein Merkfaden.«
    Ich hebe die Augenbrauen. »Und?«
    »Die Juden haben uns getäuscht, um einen der ihren zu schützen!«, schnaubt er. »Dieser Merkfaden passt nicht zu jenen dieses Gebetsmantels! Schau selbst! Hier ein

Weitere Kostenlose Bücher