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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Es geht ihm gut.«
    Er wirft Yared einen scheuen Blick zu. »Al-hamdu li-llah!«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Schon viel besser«, beteuert er mit heiserer Stimme. »Ich denke, morgen kann ich das Bett für ein paar Stunden verlassen und am Schreibtisch arbeiten. Dann werde ich mit der Entschlüsselung schneller vorankommen.«
    »Wie weit bist du schon gekommen?«
    »Dein Notizbuch liegt da drüben auf dem Hocker mit dem Zebrafell. Ich habe den Weg in deine Skizze eingetragen. Der lateinische Text steht auf der letzten Seite.«
    Ich schlage das Büchlein auf und betrachte die Zeichnung. »Der Einstieg ins Labyrinth erfolgt durch die Tariq as-Silsileh in das antike römische Aquädukt. Dann weiter durch das Wasserleitungssystem in Richtung der Zisterne nahe dem Al-Kas-Brunnen.« Ich blicke auf. »In der Nähe dieses Speichers habe ich die verschollene Tempelbibliothek entdeckt. Ungefähr hier.« Ich tippe auf den Plan. »Der Zufluss vom Aquädukt zu jener großen Zisterne ist zu schmal, um hindurchzukriechen. Und der Aufgang zur Al-Aqsa ist zugemauert. Der einzige Weg in die Zisterne führt durch die Wasserleitung, durch die ich vor drei Tagen getaucht bin.«
    »Wenn die Bundeslade hinter dem eingestürzten Korridor verschüttet liegt, in dem du das Templerschwert gefunden hast, könntet ihr durch den Felsendom ins Labyrinth gelangen.« Tayeb hat begriffen, dass Yared und ich ihn in seinem Zustand auf keinen Fall mitnehmen werden ins Labyrinth, und er ist verstimmt. Er ahnt ja nicht, dass uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Uthman will morgen früh mit uns nach Kairo abreisen. Uns bleiben nur noch zweiundzwanzig Stunden!
    »Der Weg durch den Felsendom ist uns verwehrt«, widerspricht Yared. »Nach den Ausschreitungen der letzten Tage wird der Tempelberg streng bewacht. Die Tore sind nachts geschlossen.«
    »Wer hat das befohlen?«, fragt Tayeb.
    »Ich«, gesteht Yared.
    »Eine weise Entscheidung des Emirs«, urteilt eine vertraute Stimme hinter uns.
    Bestürzt wenden Yared und ich uns zur offenen Tür.
    Auf seinen langen Gebetsstab gestützt, schlurft Gebre Christos näher und verneigt sich vor Yared. »Salam! Ich fühle mich geehrt, dich kennenzulernen, Emir. Auch im Namen Seiner Heiligkeit des Papstes Yoannis danke ich dir für alles, was du in den letzten Jahren für die Kopten in Ägypten getan hast. Nicht zuletzt für Seine Heiligkeit selbst, dem du im Kerker das Leben gerettet hast. Yoannis al-Maksi schließt dich in seine Gebete ein. Er setzt große Hoffnungen in dich. In Al-Kahira geht das Gerücht, der Sultan wolle dich nach deiner Hochzeit mit Prinzessin Jadiya zum Dawadar ernennen.«
    Gebre Christos umarmt mich herzlich. »Mein liebes Kind, wie schön, dich zu sehen!«
    »Wie geht es dir, Abuna? Du siehst erschöpft aus.«
    »Die letzten Tage waren niederschmetternd und beschämend. So viel irregeleiteter Glaube!«
    Yared runzelt die Stirn. »Was ist geschehen?«
    »Du erinnerst dich gewiss an das Massaker am Karsamstag während der Zeremonie des Heiligen Feuers, als Muslime die Gläubigen vor dem Heiligen Grab angriffen?«
    »Allerdings.«
    »Kurz vor dem Morgengebet ist ein Selbstmordkommando der Franziskaner in die Al-Aqsa gestürmt, um Vergeltung zu üben. Die Mönche haben verlangt, zum Imam geführt zu werden. Yusuf Abu Talib hat sie auch tatsächlich empfangen, während sich die Gläubigen bereits vor dem Mihrab zum Gebet versammelten.«
    »Und?«
    »Sie beleidigten Mohammed als Erstgeborenen des Satans. Als Lügenpropheten. Als blutgierigen Eroberer, der seinen Irrglauben mit Feuer und Schwert verbreitet. Als Antichrist.«
    »Um Gottes willen!«, stöhnt Yared. »Sie wollen sich zu Märtyrern machen. Wie hat der Imam reagiert?«
    »Am Karfreitag hat er zugelassen, dass der Franziskaner, der in der Al-Aqsa predigte, dass Iyasus Christos alle Muslime erlösen werde, wenn sie sich zum christlichen Glauben bekehren, an ein Kreuz gefesselt und über die Umfassungsmauer des Tempelberges gestürzt wurde. Nach den blutigen Unruhen während der Osterfeiertage ist Yusuf Abu Talib sehr viel besonnener geworden. Obwohl die Beleidigung des Propheten ein schweres Vergehen ist, bat er seinen Freund, den Kadi, den Franziskanern zu gestatten, zum Islam zu konvertieren, bevor er sie hinrichten lässt. Die Franziskaner wollten eine muslimisch-christliche Glaubensdisputation im Felsendom erzwingen, in der sie sich zu ihrem Glauben bekennen, um als Märtyrer hingerichtet zu werden. Ihr Tod soll ein Aufruf an

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