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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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alle christlichen Dhimmis sein, die muslimische Gewaltherrschaft zu beenden. Sie hoffen, dass Papst Eugenius sich endlich auf die Macht der vereinigten Kirche besinnt und in einem Kreuzzug gegen Ägypten den Islam vernichtet.« Gebre Christos schüttelt missbilligend den Kopf. »Imam Yusuf und seinem Freund, dem Kadi, sind die Hände gebunden. Ich fürchte, dass es nach der Hinrichtung der Mönche zu neuem Blutvergießen kommen wird.«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, verspricht Yared.
    »So viel Hass, Verachtung und Zorn!« Der Abuna schnauft. »Und doch liebe ich diese Stadt. Sie verändert das Denken. Und den Glauben. Es wird mir schwerfallen, Jerusalem für immer zu verlassen und nach Aksum zurückzukehren.«
    Ich halte seine Hand fest, die sich wie trockener Papyrus anfühlt. »Nach Aksum?«
    »Prinz Solomon hat mir gerade eben eine Botschaft des Neguse Negest übermittelt. Der Gesalbte Gottes hat mich, ohne mit Seiner Heiligkeit in Al-Kahira Rücksprache zu halten, zum Nebura-Ed bestimmt. Zum Bischof von Aksum mit Sitz in der Kathedrale Maryam Tseyon.«
    »Welch eine Ehre!«, freue ich mich für ihn.
    »Ja, in der Tat. Neben den Abunas, den Patriarchen, und dem Etchege, dem Abtprimas aller Klöster, ist der Nebura-Ed der einflussreichste Würdenträger am kaiserlichen Hof. Der Hüter der Lade.«
    »Waren die Bischöfe bisher nicht ausschließlich konvertierte koptische Mönche, die Yoannis nach Äthiopien entsandt hat?«
    Gebre Christos nickt. »So ist es. Der Neguse Negest hat diese eigenmächtige Entscheidung getroffen, weil er sich nicht länger vom koptischen Papst abhängig machen will, der ein Gefangener des Sultans ist. Die ägyptischen Bischöfe und die Äbte der großen Klöster, die sich gegen seine Kirchenreform auflehnen, werden ihm die Hölle heißmachen.«
    Nachdem er Tayeb eine Hand auf die Schulter gelegt hat, um ihm Trost und Genesung zu spenden, führt er Yared und mich zu seinen Gemächern.
    Während er sich auf einen Diwan sinken lässt und die steifen Knie anzieht, setzen wir uns auf zwei Sitzkissen vor einem niedrigen Tisch aus Ebenholz. Neben seinem silbernen Handkreuz liegt ein großformatiger Foliant aus Akazienholz und steifem, gewelltem Ziegenleder.
    Gebre Christos hat meinen Blick bemerkt. »Das ist das Kebra Negest. Prinz Solomon hat dieses Buch gestern Abend erwähnt, als er von der Lade in Aksum erzählte. Ich habe mich vorhin in Hagia Sion von ihm verabschiedet. Er reitet zurück, vermutlich ist er bereits in Betlehem. Bevor er aufbrach, bat er mich, euch die Geschichte der Lade von Zion zu erzählen.«
    Er beugt sich vor, zieht den schweren Folianten auf seine Knie und schlägt ihn auf, um ihn uns zu zeigen. Das kostbar illuminierte Buch ist in Geez verfasst.
    Die Glocke der Grabeskirche beginnt zu schlagen, als Tesfa Iyasus die Tür öffnet und eine Frage auf Amharisch an Gebre Christos richtet. Der Abuna blickt Yared an. »Wie wäre es mit einem Qahwa?«
    »Sehr gern.« Obwohl die Kaffeezeremonie sehr lange dauert, möchte Yared die freundliche Einladung nicht ablehnen, das wäre mehr als unhöflich gewesen.
    Als der Kaffee zubereitet ist, übernimmt es Gebre Christos, ihn in die Gläser zu schöpfen. »Bitter wie das Leben oder süß wie die Liebe?«, fragt er Yared mit einem Augenzwinkern. Er weiß, was Yared und ich füreinander empfinden.
    Nachdem wir getrunken haben, stellt Yared das heiße Kaffeeglas auf den Tisch. »Prinz Solomon erzählte, dass die heilige Lade, die er Tabota Tseyon nannte, im Allerheiligsten von Maryam Tseyon verehrt wird.«
    »Das stimmt«, nickt Gebre Christos.
    »Das Tabota Tseyon ist also jene Lade, die Moses anfertigen ließ, um die Steintafeln mit den Zehn Geboten darin zu verwahren? Die das Volk Israel ins Gelobte Land führte? Die Yoshua vor Jericho zum Sieg führte? Die David nach Jeruschalajim brachte und Salomo im Tempel aufstellen ließ? Die seit der Eroberung Jeruschalajims durch die Babylonier verschollen ist?«
    Gebre Christos fährt mit den Fingern durch seinen Bart und blinzelt ihn kurzsichtig an. »Dieselbe.«
    »Wie gelangte sie nach Aksum? Die Erzählung vom Besuch der Königin von Saba bei König Salomo kenne ich. Salomo und Makeda verliebten sich ineinander. Monate später kehrte sie mit ihrem Gefolge in ihr Reich zurück und gebar einen Sohn. Menelik war der erste Kaiser, der Begründer der salomonischen Dynastie.«
    »Das stimmt. Die Geschichte des Kebra Negest beginnt, wo Bibel, Talmud und Koran enden. Im Alter von

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