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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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einatmet, aber ich drehe mich nicht zu ihr um.
    »Prinz Yared, du hast zwei Zeugen mitgebracht, die deine Unterwerfung unter den Islam bezeugen sollen«, fährt der Imam fort. »Prinz Fakhr ad-Din Uthman und Prinz Djelal ad-Din Arslan. Seid ihr bereit, zu bezeugen, dass Prinz Yared die Schahada spricht?«
    Uthman nickt wortlos.
    Arslan legt mir tröstend eine Hand auf den Arm und sieht mir in die Augen. Er wirkt traurig. Dann nickt auch er.
    »So sei es!«, murmelt der Imam. Er wirft dem Bettler, der sich wieder aufgerappelt hat, einen langen Blick zu. Dann sieht er wieder mich an. »Prinz Yared, bekenne dich nun zum wahren Glauben! Sprich die Schahada!«
    Es ist ein Gefühl, als würde ich innerlich verglühen. »Ashadu … ich bekenne …« Meine Stimme versagt, und ich ringe nach Atem.
    Uthman ergreift ermutigend meine Hand und drückt sie. »Yared, ich bitte dich!«, raunt er mir zu.
    Yusuf Abu Talib beobachtet mich. Verachtung und Hass lodern in seinen Augen. Die rechte Hand hat er unauffällig unter den aufgeschlagenen Koran auf seinen Knien geschoben.
    »Ashadu an la ilaha illa-llah … Ich bekenne, dass es keinen Gott gibt außer Gott …« Bis hierher kann ich als Jude das Glaubensbekenntnis noch sprechen, weiter jedoch nicht.
    »Sprich weiter, Yared!«, bedrängt mich Uthman.
    »Lass ihn doch in Ruhe!«, weist Arslan ihn zurecht.
    Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, dass sich der Bettler erneut mit seiner Almosenschale nähert. Durch das offene Portal des Hauptschiffs wollen die ersten Gläubigen zum Mittagsgebet in die Moschee strömen, doch meine Mamelucken drängen sie unerbittlich zurück in den Vorhof, schieben das Portal zu und verriegeln es.
    »Prinz Yared?« Der Imam bewegt die Hand unter dem Koran. Irritiert beobachte ich ihn. Was hat er vor?
    Ich hole tief Luft. »Ashadu an la ilaha illa-llah, wa Muhammadan rasulu-llah«, quäle ich hervor und bekenne, dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass Mohammed sein Gesandter ist.
    Uthman seufzt erleichtert. »Noch einmal!«
    »Ashadu an la ilaha illa-llah, wa Muhammadan rasulu-llah.«
    Die Worte haben den bitteren Nachgeschmack von Endgültigkeit.
    Uthman ergreift meine Hand. »Und noch einmal, Yared!«
    »Ashadu an la ilaha illa-llah …«
    In diesem Augenblick, da ich mich zum dritten und letzten Mal zum Islam bekennen will, schleudert der Bettler seine Krücke fort, zerrt einen Dolch aus dem zerschlissenen Gewand und stürmt heran.
    Yusuf Abu Talib zieht eine Klinge unter dem Koran hervor und stürzt sich auf mich. »Im Namen Allahs und des rechtmäßigen Emirs Tughan al-Uthmani! Stirb, du verdammter Jude!«
    Arslan packt mich an der Schulter, reißt mich zu Boden und wirft sich auf mich, um mich zu schützen. Uthman zieht seinen Dolch und stellt sich dem Imam, der mich töten will, in den Weg.
    Bewaffnete stürzen aus der Moschee des Omar im östlichen Querschiff, huschen zwischen den Pfeilern des Kuppelraums auf uns zu und ziehen ihre Schwerter. Tughans Mamelucken!
    Mit einem Aufschrei werfen sich meine Kriegssklaven ihnen entgegen. Ein Kampf auf Leben und Tod entbrennt.
    In dem Tumult sehe ich Tughan in Helm und Harnisch hinter dem Minbar hervorkommen. Drei, vier, fünf Schritte, dann wirft er sich, einen zornigen Schrei auf den Lippen, mit der erhobenen Klinge auf mich.
    Arslan fängt Tughan ab, um ihn mit aller Gewalt von mir wegzureißen. Tughan taumelt, lässt von mir ab und stolpert rückwärts. Dann wirbelt er herum, schlägt nach Arslan, der zurückspringt, um der scharfen Klinge auszuweichen. Dabei prallt er mit der Schulter gegen die Kanzeltreppe. Während Tughan sein Schwert zum Todesstoß erhebt, reißt Arslan seinen Dolch hoch, um ihn seinem Gegner in die Brust zu rammen. Doch Tughan schlägt ihm die Waffe aus der Hand. Sie fällt auf den Teppich. Bevor ich ihn zurückhalten kann, stößt er Arslan, der mit dem Rücken zum Minbar steht und ihm nicht ausweichen kann, das Schwert in die Brust.
    Röchelnd sinkt Arslan auf die Knie. Ich springe auf und werfe mich mit der Schulter gegen Tughan, dränge ihn gegen den Minbar und entwaffne ihn mit einem kräftigen Schlag auf sein Handgelenk. Er stöhnt vor Schmerz und lässt sein Schwert fallen. Ein Blick über meine Schulter lässt ihn erahnen, dass er diesen Kampf verloren hat. Mit einem gotteslästerlichen Fluch entwindet er sich mir und flüchtet durch das Seitenschiff in den angrenzenden Templerpalast.
    Während meine Mamelucken ihn verfolgen, knie ich mich neben Arslan, der mit

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