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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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sein. Ich glaube nicht, dass Yared den griechischen Patriarchen oder den Neffen des äthiopischen Kaisers zum Abendessen einlädt, sodass ich mir den ganzen Abend freinehmen kann. Yared hat mir vorhin erzählt, dass du nach der verschollenen Tempelbibliothek suchst.«
    »Das stimmt. Ich bin im Auftrag Seiner Heiligkeit in Jerusalem.« Ich ziehe das Beglaubigungsschreiben von Papst Eugenius aus der Tasche meines Gewandes und gebe es ihm.
    Benyamin faltet den Brief an den Patriarchen auseinander. »Papst Eugenius bittet Patriarch Joachim, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um dein Leben zu schützen. Und dir gewährt er eine umfassende Handlungsvollmacht. Was immer er damit gemeint hat … Mein Latein ist nicht besonders gut.«
    »Du bist zu bescheiden, Benyamin. Dein Latein ist exzellent. Papst Eugenius meint damit, dass ich nicht an die Weisungen des Patriarchen gebunden bin. Mein Handeln habe ich nur vor dem Papst in Rom zu verantworten.«
    »Und vor dem Vizekönig, der über Jeruschalajim herrscht, solltest du gegen ein muslimisches Gesetz verstoßen.«
    Hat Yared ihn ins Vertrauen gezogen?, frage ich mich beunruhigt. Weiß Benyamin, was letzte Nacht im Labyrinth des Tempelbergs geschehen ist? Ich bemühe mich, mir meine Bestürzung nicht anmerken zu lassen.
    Benyamin gibt mir das Schreiben zurück. »Hast du auf der Suche nach der Tempelbibliothek schon einen spektakulären Fund gemacht, wie vor sechs Jahren in Alexandria?«
    Offenbar hat Yared ihm von dem Evangelium erzählt.
    »Was ist es?«, fragt er nach, offenbar nimmt er an, ich hätte tatsächlich etwas gefunden. »Ein zerbrochener Tonkrug mit einem halb zerfallenen Papyrus? Ein verschollenes Prophetenbuch? Ein Evangelium, das nicht auf Griechisch verfasst wurde, sondern auf Aramäisch, in der Sprache Jesu?«
    »Wenn ich die Tempelbibliothek entdeckt hätte, wäre ich mit den Papyri dann nicht längst auf dem Weg zurück nach Rom?«
    Er sieht mir in die Augen, doch ich halte seinem forschenden Blick stand, bis er schließlich bedächtig nickt.
    »Yared erwartet mich. Kann ich noch etwas für dich tun?«
    »Ja, Benyamin, das kannst du in der Tat …«

· Yared ·
Kapitel 16
    In Yareds Arbeitszimmer in der Zitadelle
    16. Dhu’l Hijja 848, 19. Nisan 5205
    Karfreitag, 26. März 1445
    Acht Uhr dreißig morgens

    »Noch ist er in Betlehem, aber in zwei Stunden wird der Neffe des Kaisers von Äthiopien in Jeruschalajim eintreffen. Gerade noch rechtzeitig vor der Karfreitagsprozession in der Via Dolorosa und den orthodoxen Messen in der Grabeskirche – der König der Könige hat dort ein Kloster gestiftet mit einem Abt und etlichen Priestern, Diakonen und Mönchen.«
    Arslan, der mit unterschlagenen Beinen auf einem Kissen vor meinem Schreibtisch Platz genommen hat, nickt langsam. »Du willst, dass ich diesen Prinzen … wie ist sein Name?«
    »Prinz Solomon.«
    Arslan pfeift durch die Zähne. »Der Prinz, der Sultan Bedlay von Adal in der Schlacht besiegt hat?«
    »Derselbe.«
    Arslan nickt anerkennend. »Er hat gekämpft wie ein Löwe. Du willst also, dass ich ihn nicht aus den Augen lasse.«
    »So habe ich mir das vorgestellt«, entgegne ich. »Nach seiner Ankunft in Betlehem hat er um eine Audienz bei mir nachgesucht, die Benyamin ihm für Sonntag gewährt hat.«
    »Am Ostersonntag?«, staunt Arslan, der im Kaukasus als Sohn orthodoxer Christen gelebt hat, bevor er versklavt, als Mamelucke nach Ägypten verkauft und zum Islam bekehrt wurde. »Ich dachte, der Prinz sei auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, um die Auferstehung Christi zu feiern, nicht auf einer diplomatischen Mission. Und er statte dir nur einen Höflichkeitsbesuch ab, weil du in der Stadt bist. Weiß er, dass du nun der Herr von Al-Quds bist?«
    »Vermutlich weiß er es schon. Prinz Solomon wird in einem Kloster auf dem Berg Zion residieren. Schick ihm ein paar deiner besten Mamelucken als persönliche Leibwache.«
    »Heute ist Karfreitag. Du befürchtest Unruhen und willst verhindern, dass ihm im Gedränge der Pilger rund um die Grabeskirche etwas zustößt.«
    »So ist es. Stell dich ihm vor, mein Junge. Sag ihm, dass du ein ranghoher Königsmamelucke und ein Ziehsohn von Sultan Jaqmaq bist. Und übermittle ihm meine herzlichen Grüße.«
    »Mach ich.«
    »Ich wünsche nicht, dass er sich von deinen Bewaffneten bedroht oder in seiner Residenz wie eine Geisel fühlt. Wenn er die Mamelucken, die ihn schützen sollen, selbst auswählen will, dann lass ihm freie Hand. Und wenn er dich im

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