Der Gottesschrein
verächtlichen Blick zu. Dann schließt er leise die Tür hinter sich und lässt uns allein.
Benyamin, dem der Blick nicht entgangen ist, verdreht entnervt die Augen, murmelt einen kastilischen Fluch, den der Schreiber, sollte er an der Tür lauschen, bestimmt nicht verstehen kann, und kommt mit einer Karaffe und zwei Gläsern zu mir herüber.
»Aron ist in Jeruschalajim.«
»Ich bin ihm gerade begegnet. Er will allein mit dir reden.«
»Weißt du, was er von mir will?«
»Keine Ahnung. Aber es scheint sehr wichtig zu sein. Er wirkt beunruhigt. Für ihn scheint viel, sehr viel, von dieser Audienz abzuhängen. Und von deinem Wohlwollen. Aron hat sich nach deinem Befinden erkundigt. Und nach deiner Stimmung nach den turbulenten Ereignissen der letzten Nacht. Außerdem ließ er mich wissen, dass Sultan Jaqmaq ihn zu dir geschickt hat. Offenbar steht eine Entscheidung an, die Jaqmaq nicht ohne deinen Rat treffen will.«
»Gibt es denn keine Taubenpost aus Al-Kahira?«
Benyamin spitzt die Lippen und schüttelt den Kopf. »Aron war zehn Tage unterwegs – eine Brieftaube braucht zehn Stunden von Al-Kahira bis Jeruschalajim. Vermutlich ist sie einem Falken zum Opfer gefallen.«
Er stellt die silberne Karaffe mit dampfend heißem Qahwa und zwei Gläser auf meinen Schreibtisch – offensichtlich will er mit mir trinken. Mit einer heftigen Bewegung befreit er seinen Hals von der schweren Steinkugel, lässt sie mit einem dumpfen Poltern achtlos auf den dicken Teppich fallen und setzt sich, wie zuvor Arslan, mit unterschlagenen Beinen auf das Sitzkissen mir gegenüber.
»Hast du mit ihr geredet?«
»Eben gerade.« Er schenkt mir einen Kaffee ein und reicht mir das Glas über den Schreibtisch hinweg.
Ich trinke einen Schluck. »Glaubst du, dass sie im Tempelberg irgendetwas gefunden hat?«
»Außer dem zerbrochenen Templerschwert? Keine Ahnung. Ich habe sie gefragt, aber sie ist mir ausgewichen. Was erhoffst du dir denn?«
Als ich nicht antworte, fällt Benyamins Blick auf die Skizze auf meinem Schreibtisch, die ich vorhin, als ich keine Ruhe finden konnte, gezeichnet habe.
Zwei Cherubim, die mit ausgebreiteten Flügeln die goldschimmernde Bundeslade bewachen.
»Sag mal, ist gestern Nacht irgendetwas geschehen, wovon ich wissen sollte?«, lauert er und sieht mir dabei in die Augen.
»Nein.« Ich kippe den heißen Qahwa hinunter und genieße den Geschmack von karamelisiertem Zucker mit Vanille und einer Prise Zimt.
Benyamin atmet tief durch. »Saphira sagte mir eben, dass du dich gestern Nacht sehr um Alessandra bemüht hast.«
»Ich habe mir ihren verletzten Fuß angesehen.«
»Yared, deine Hand lag auf der Innenseite ihres Oberschenkels, nicht auf ihrem Fuß. Saphira meint, es sei eine sehr intime Berührung gewesen, die Alessandra, wie es scheint, nicht als unangenehm empfand.«
»Wie schön«, murmele ich betont gleichgültig, ja sogar uninteressiert, und halte Benyamin mein Glas hin, damit er mir nachschenkt.
Aber meinem Freund kann ich nichts vormachen.
»Was ist zwischen euch?«, fragt er, als er mir umständlich das Glas mit heißem Qahwa zurückgibt.
»Nichts.«
» Nichts? Yared, ich bitte dich!«
»Schon gut!«, gebe ich nach. »Ich habe sie gefragt, ob ich sie berühren darf. Sie hat mir lange in die Augen gesehen und schließlich genickt. Sie hat vor Erregung gezittert, als meine Finger sie sanft liebkosten. Es war … sehr schön. Mir jedenfalls hat es gefallen.«
»Ihr offenbar auch«, seufzt Benyamin. »Und dann?«
»Dann ist sie zu Bett gegangen. Sie war erschöpft. Und ich, ehrlich gesagt, auch.«
Ungerührt setzt Benyamin sein Verhör fort. »Saphira hat mir gesagt, dass du heute Nacht kein Auge zugetan hast. Alessandra gefällt dir, nicht wahr?« Als ich nicht sofort antworte, fragt er:
»Willst du sie wiedersehen?«
»Ich weiß es nicht. Sie ist doch nur ein paar Tage in Jeruschalajim, dann kehrt sie nach Rom zurück.«
»Wann?«
»Ich habe sie nicht gefragt«, erwidere ich gereizt.
»Warum nicht?«, setzt er nach.
»Sag mal, was ist denn plötzlich in dich gefahren?«
»Beantworte meine Frage!«
»Das geht dich nichts an!«
»Sieh an! Habe ich etwa einen empfindlichen Nerv getroffen?«
»Also schön«, gebe ich entnervt nach. »Ich habe sie berührt und fand es erregend. Ich habe es genossen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Nein? Ich denke doch! Alessandra hat eben um eine Audienz bei dir nachgesucht. Sie will mit dir reden. Ich habe sie auf morgen Nachmittag
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