Der Gottesschrein
ein Mittel gegen seine Schmerzen gegeben, nachdem er seine Wunden verbunden hat, und Tayeb träumt selig lächelnd. Es geht ihm gut.«
»Ich werde gleich nach ihm sehen. Ist Yared schon wach?«
»Er war gar nicht im Bett«, verrät mir Saphira, die vor einer meiner Truhen kniet. Sie zieht ein taubenblaues Seidengewand hervor, das mit silbernen Blütenornamenten bestickt ist. »Nach dem Attentat von letzter Nacht und seinem Gebet im Felsendom hat er kein Auge zugetan. Er war sehr aufgewühlt und konnte keine Ruhe finden.«
»Wer hat versucht, ihn zu ermorden?«, frage ich bestürzt.
»Tughan al-Uthmani, der Vizekönig von Damaskus.«
Saphira nimmt mir das Bettlaken ab und hilft mir in die weiten Ärmel des blau-silbernen Gewandes. Sie umgürtet es mit einer rosenfarbenen Schärpe. Als sie mir einen Mantel hinhält, damit ich in die Ärmel schlüpfe, drehe ich mich zu ihr um. »Wo ist er jetzt?«
»Tughan wird nach Jericho eskortiert.«
»Und Yared?«
Sie lächelt versonnen, als habe sie mit meiner Frage gerechnet. »Er sitzt im Arbeitszimmer des Emirs, trinkt ein Glas heißen Qahwa nach dem anderen und bereitet sich mit seinem Sekretär auf die Audienzen und die Empfänge des heutigen Tages vor. Der griechisch-orthodoxe Patriarch will ihm heute Nachmittag seine Aufwartung machen. Und der Abt des Franziskanerklosters auf dem Berg Zion bittet ebenfalls um eine Audienz.«
»Er ist wohl sehr beschäftigt.«
»Nach dem Sturz des Emirs letzte Nacht herrscht nun Yared in Jeruschalajim. Vor zwei Stunden hat er eine Brieftaube nach Al-Kahira geschickt, um dem Sultan über den Machtwechsel Bescheid zu geben.«
»Wie wird Sultan Jaqmaq darauf reagieren?«
»Sobald er Allah auf Knien gedankt hat, dass Yared ihm seinen Herzenswunsch erfüllt, wird er für ihn und Prinzessin Jadiya eine prunkvolle Hochzeit ausrichten lassen. Die beiden sind seit drei Jahren ein Liebespaar.«
Wie vorhin Jadiyas Liebesschwur versetzen mir Saphiras Worte einen Stich ins Herz. Was empfinde ich für Yared nach seinen Blicken, die zärtlich meinen Körper umschmeichelten, und nach jener sinnlichen Berührung, die ihn wohl ebenso aufgewühlt und erregt hat wie mich? Ist es Begehren? Oder ist es die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Leidenschaft, die ich seit Niketas’ Tod so sehr vermisse, dass mein Körper schmerzt, wenn ich nur daran denke?
Ich atme tief durch, um die Erinnerungen an letzte Nacht aus meinen Gedanken zu verbannen. »Wen muss ich mit einer Handvoll florentinischer Goldmünzen bestechen, wenn ich kurz unter vier Augen mit Yared sprechen will?«
Saphira holt das zweieinhalb Pfund schwere Holzkreuz aus meiner Kleidertruhe, das ich nach dem Willen des Kalifen an einer eisernen Kette um den Hals tragen müsste, betrachtet das splitternde Holz von allen Seiten und legt das Kreuz zurück in die Truhe. »Sprich mit Rabbi Benyamin, seinem Sekretär und Vertrauten. Er wird dich zu ihm geleiten.«
Leicht wie Schmetterlingsflügel flattern ihre Hände über mein Gesicht, als sie mich mit silbrig schimmerndem Bleiglanz schminkt, mein dunkles Haar bürstet, bis es seidig glänzt, und ein paar Tropfen Lotusduft sanft in meine Haut massiert. Als sie mir schließlich einen Spiegel vorhält, frage ich mich im Stillen, für wen sie mich wie eine Prinzessin herausgeputzt hat.
Saphira zwinkert mir zu und lächelt verschwörerisch. »So wird Yared dich gewiss empfangen.«
Nachdem sie mir versprochen hat, Rabbi Benyamin von meinem Wunsch zu berichten, begebe ich mich in Tayebs Gemach, das nur wenige Schritte von meinem entfernt ist, und setze mich auf den Rand seines Bettes.
Berauscht vom Schmerzmittel, das Yared ihm gegeben hat, öffnet er die Augen und blinzelt mich an. »…sandra, mein Schatz«, murmelt er undeutlich.
Ich küsse ihn auf die Wange. »Wie geht es dir?«
»… geht mir … guuuut«, haucht er mit einem verzückten Lächeln.
Ich schlage die Bettdecke zurück und untersuche die beiden Verbände, die Yared angelegt hat. Eine Binde windet sich um Tayebs Bauch und bedeckt die Wunde an seiner Seite. Eine zweite Binde sorgt dafür, dass er seinen linken Arm und die verletzte Schulter nicht bewegen kann. Sie ist mit einem weingetränkten Tuch abgedeckt, damit eine Infektion verhindert wird. Tayeb kann sich kaum bewegen. »Das Freitagsgebet in der Al-Aqsa kannst du dir wohl aus dem Kopf schlagen.«
Das letzte Freitagsgebet in einer Moschee hat er vor sechs Jahren in Alexandria gehalten. In Florenz und Rom betet Tayeb in Kirchen,
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