Der Gottesschrein
Pfanne zurückgegeben und mit Wasser aufgekocht.
Gebre Christos übernimmt es, den Kaffee in Gläser zu füllen, mit drei Löffeln gebräuntem Zucker zu süßen und umzurühren. Dann reicht er mir mein Glas, während Tesfa Iyasus sich zurückzieht.
»Vorhin in der Kapelle hast du erwähnt, dass dein ehemaliger Sekretär Fra Leonardo ermordet worden sei und dass du nach Jerusalem gekommen seist, um den Mord aufzuklären.«
Ich trinke einen Schluck Kaffee. »So ist es.«
»Willst du mir erzählen, was geschehen ist?«
Ich berichte ihm, wie ich mich in Rom auf meine Expedition nach Jerusalem vorbereitet habe, um die Tempelbibliothek zu suchen. Und um apokryphe Handschriften zu entdecken, die nicht in das Alte Testament aufgenommen worden sind.
»Wie das äthiopische Buch Henoch?«, fragt er fasziniert, während er mir ein zweites Glas Kaffee einschenkt, und ich bejahe.
Dann erzähle ich ihm, wie ich Leonardo in jener Nacht fand. Und ich lasse auch das Templerkreuz nicht aus, das er mit seinem Blut gemalt hat, um mich vor dem Assassino zu warnen, einem portugiesischen Mönchsritter des Ordem de Cristo. Der Boden des Geheimarchivs war bedeckt mit den Abschriften der Inquisitionsprotokolle der französischen Templerprozesse. Dom Tristão musste sie gelesen haben, bevor Leonardo ihn dabei überraschte. Doch die geheimen Dokumente enthielten offenbar keinen Hinweis darauf, wonach der Christusritter suchte: eine Lade aus Akazienholz, die aus dem Pariser Tempel stammte und ursprünglich einen Bericht des Dominikanermönchs Jourdain de Séverac über das Reich des Priesterkönigs Johannes enthielt.
»Was, glaubst du, ist geschehen?«, fragt Gebre Christos.
»Ich kann nur vermuten, was im Convento do Cristo in der alten Templerfestung von Tomar, dem Hauptquartier des Ordens, zwischen dem Großmeister und seinem Geheimagenten besprochen wurde. Ich glaube, dass Dom Henrique de Aviz, der Infante von Portugal, mit Dom Tristão über den Priesterkönig Johannes sprach.«
»Über den Priesterkönig?«, fragt Gebre Christos verwirrt.
»Was weißt du über ihn, Abuna?«
Er schüttelt den Kopf und hebt beide Hände.
Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. »Aber ich dachte …«
»Es tut mir leid, mein Kind. Willst du mir von ihm erzählen?«
»Ja, Abuna.« Ich bemühe mich, mir meine Bestürzung nicht anmerken zu lassen. »Der Priesterkönig Johannes ist ein christlicher Herrscher, der um 1146 in der Chronik des deutschen Bischofs Otto von Freising zum ersten Mal erwähnt wird. Der Chronist hoffte, der Priesterkönig würde sich an einem Kreuzzug beteiligen und die Christenheit im Kampf gegen die Muslime unterstützen, die in einem Heiligen Krieg Jerusalem zurückerobern wollten.
Um 1165 sandte der Presbyter Johannes eine Botschaft an den byzantinischen Kaiser Manuel Komnenos, den deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa und Papst Alexander III .« Ich ziehe die Abschrift des Briefes, die ich in Rom angefertigt habe, aus meiner Tasche, entfalte das Pergament und zeige es Gebre Christos. Er wirft einen kurzen Blick darauf und gibt es mir wieder zurück. »In diesem Schreiben schwor der Priesterkönig, die christlichen Stätten im Heiligen Land mit seiner gewaltigen Streitmacht zu schützen und die Muslime im Namen Jesu Christi zu vernichten. Und darauf hofft die Christenheit noch immer, obwohl seither fast drei Jahrhunderte vergangen sind.«
Ich nippe an meinem Kaffee, dann fahre ich fort:
»In aller Welt haben Entdecker und Abenteurer nach diesem mysteriösen Priesterkönig gesucht, diesem mächtigen Verbündeten des Papstes in seinem Kampf gegen den Islam. Doch trotz der genauen Beschreibungen in dessen Brief bleibt unklar, wo sich sein Reich befindet, in Asien oder Afrika.
Bei meinen Nachforschungen im vatikanischen Archiv stieß ich dann auf den Reisebericht von Jourdain de Séverac, den mein Vater vor Jahren in der Lade der Templer entdeckt hatte. Dom Tristão, der vermutlich danach gesucht hat, konnte ihn nicht finden, weil Leonardo ihn in die Akten der päpstlichen Korrespondenz mit dem Priesterkönig gelegt hatte.«
»Wer ist Jourdain de Séverac?«, fragt Gebre Christos.
»Ein französischer Dominikaner, der vor hundertzwanzig Jahren in einem Kloster im persischen Täbriz lebte, als Missionar nach Indien aufbrach und 1330 zum Bischof von Malabar ernannt wurde.«
»Erwähnt sein Bericht den Priesterkönig?«
»Allerdings«, nicke ich. »Jourdain beschrieb das Reich, das nicht in Asien, sondern in Afrika liegt.
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