Der Gottesschrein
du dorthin wolltest, um endlich Chasdai Ibn Shapruts Traum zu verwirklichen. Deinen Traum.«
Ich nippe an dem heißen Minztee.
»Und nun bist du der engste Berater des ägyptischen Sultans. Und, sobald du konvertiert bist, sein Schwiegersohn und Dawadar«, fährt Aron fort. »Ich habe mir deine Villa bei den Pyramiden angesehen – ich sollte sie wohl lieber einen Palast nennen. Du lieber Himmel, die Gärten sind schöner als die der Alhambra. Auf der einen Seite die Pyramiden, auf der anderen Seite der Nil. Und eine Felukka mit weißen Segeln. Du lebst wie ein König.«
»Der Sultan ist sehr großzügig.«
»Sein Leben liegt in deiner Hand. Man sagt, er sei todkrank und könnte schon in wenigen Monaten sterben …«
Aron spricht das Furchtbare nicht aus: Dass mein Name der erste auf einer langen Todesliste sein wird. Und dass ich das Blutbad, das die Emire unter Jaqmaqs Vertrauten und Söhnen anrichten werden, um unangefochten den Thron von Ägypten zu besteigen, vermutlich nicht überleben werde. Es sei denn, Uthman folgt seinem Vater nach und macht mich, seinen Schwager und Freund, zu seiner rechten Hand. Es sei denn, ich nutze meine Macht als Dawadar, stecke mir den goldenen Ring an meine bluttriefenden Hände und regiere selbst als Sultan …
»Hast du manchmal Sehnsucht nach Gharnata?«
»Ja, Aron, und wie!«
»Dann komm zurück, Yared al-Gharnati, der die Stadt seiner Sehnsucht nicht nur in seinem Namen, sondern auch in seinem Herzen trägt! Das Schicksal deiner Heimat kann dir doch nach all den Jahren nicht gleichgültig sein!« Aron wirft Benyamin einen raschen Blick zu. »In Gharnata haben die Juden als Dhimmis mehr Freiheiten als in Ägypten, das weißt du. In Gharnata brennen keine Synagogen«, sucht er sich in Benyamin einen Verbündeten.
Wie erstarrt blickt mein Freund zu Boden und hält die verhasste Steinkugel umklammert, als wolle er sie sich herunterreißen. Er wagt es nicht, mich anzusehen, weil er weiß, dass sein hoffnungsvoller Blick mich verletzen könnte. Und dass wir wieder streiten würden, wie vor einigen Wochen vor unserer Abreise nach Mekka.
Nur zu gern würde Benyamin nach Gharnata zurückkehren. Trotz der Unruhen wegen des Bruderkriegs der Nasriden, die sich gegenseitig abschlachten, um für ein paar Monate auf den Thron zu gelangen, bevor sie wieder gestürzt werden wie Muhammad, der nun schon zum dritten Mal aus Gharnata fliehen musste. Trotz der Bedrohung durch die Reconquista Kastiliens und die Inquisitoren, die den Konquistadoren folgen werden, um in Gharnata mit der Überzeugungskraft brennender Scheiterhaufen und schwelender Leichen die Frohe Botschaft von Liebe und Barmherzigkeit zu verkünden.
Benyamin liebt Gharnata, genauso wie ich, und verachtet Ägypten, das ›Land unserer Knechtschaft‹. Und seit vor einigen Monaten seine dreizehnjährige Tochter Yael von einem Tscherkessen auf offener Straße vergewaltigt und beinahe getötet wurde, hasst er die Mamelucken bis aufs Blut. Auch das Todesurteil gegen den Tscherkessen konnte ihn nicht versöhnen.
Wenn ich sagen würde: ›Benyamin, pack deine Sachen‹, würde er sofort alles aufgeben und mit seiner Frau und seinen Kindern das nächste Schiff nach Malaqa besteigen, um nach Hause zurückzukehren. Der Auszug aus Ägypten – die Freiheit, als Jude leben zu können –, diese Hoffnung, diese Vision bestimmt sein Denken und sein Handeln. Nicht nur an Pessach.
Aron wendet sich wieder mir zu. »Muhammad will dich zu seinem Wesir ernennen, wenn du ihm hilfst, Gharnata zurückzuerobern. Er will dir alles geben, was Sultan Jaqmaq dir gewährt, und noch viel mehr! Einen Palast in Gharnata, die Hand seiner Tochter, die höchsten Würden des Reiches.
Versöhne dich mit ihm, Yared! Wie ein Bruder stand er zu dir, hat dir das Leben gerettet und dich in deiner Trauer getröstet, als dein Vater, deine Mutter, deine Brüder und Schwestern in jenem furchtbaren Massaker starben, das du als Einziger überlebt hast. Ich weiß, wie furchtbar das für dich war, denn in jener Nacht starb auch die Frau, die ich sehr geliebt habe. Deine Schwester Sarah.«
Aron verstummt einen Augenblick, um ihrer zu gedenken. Dann redet er weiter auf mich ein: »Muhammad war zu Gast in deinem Haus, als du Rebekka geheiratet hast. Und er hat mit dir die Geburt deines … eures Sohns gefeiert. Muhammad war nicht nur dein Sultan, Yared, er war dein vertrauter Freund, dein Bruder.«
Ich atme tief durch.
»Spiel das Spiel der Könige, das du so vollendet
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