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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Gerechten, und die Juden bezeichnen ihn als ›munsif al-mazlumín min az-zalimín‹, als ›Beschützer der Unterdrückten gegen die Unterdrücker‹. Als Emir ist Yared ein Segen für Jerusalem.«
    »Der Weg über das Dach ist weit«, drängt Tesfa Iyasus.
    »Ich komme.« Gebre Christos macht Anstalten, sich zu erheben, sinkt jedoch wieder auf den Diwan zurück. Ich reiche ihm meinen Arm und helfe ihm auf. »Danke, mein Kind. Die alten Knochen wollen nicht mehr so, wie ich will.«
    »Nimm meinen Arm, Abuna. Ich helfe dir die Treppen hinauf und führe dich zum Portal.«
    Nachdem ich das lederne Bild von Salomo und Makeda gerollt und in der Tasche meines Mantels verstaut habe, hakt er sich bei mir unter. »Was wolltest du mich eben fragen?«
    »Wo ich die Christusritter finden kann.«
    »Der Orden unterhält kein Kloster in der Heiligen Stadt.«
    »Ich weiß. Die Ritter Christi sind in geheimer Mission hier. Dom Tristão hat letzte Nacht versucht, mich zu töten.«
    »Iyasus Christos steh dir bei!«, flüstert Gebre Christos bestürzt und schlägt mit seinem silbernen Handkreuz das Kreuzzeichen über meinem Kopf.
    »Abuna, wo könnte sich eine Handvoll Mönche vor den Mamelucken verstecken?«
    Gebre Christos streicht sich über den weißen Bart. »In den ›Steinbrüchen Salomos‹ – einem Höhlensystem unter dem muslimischen Viertel. Im verlassenen Dominikanerkloster nahe der Grotte des Propheten Jeremia. Auf dem Berg Zion. Ich weiß es nicht. Nur einer könnte es dir sagen«, murmelt Gebre Christos.
    »Wer?«
    Im Schatten eines Granatapfelsbaums bleibt er stehen. »Derjenige, der in Abwesenheit Seiner Eminenz des lateinischen Patriarchen die Gerichtsbarkeit im Heiligen Land ausübt. Seine Seligkeit, der griechische Patriarch Joachim.«
    »O nein!«, stöhne ich.
    »O doch! Alessandra, ich weiß, wie schwer es dir fallen muss, im Patriarchat um eine Audienz bei Joachim zu bitten. Aber dein Leben ist in Gefahr! Glaubst du, du kannst dem Patriarchen das, was er dir nach Niketas’ Tod angetan hat, vergeben, dich mit ihm versöhnen und nach drei Jahren endlich Frieden mit ihm schließen?«

    Wie Spatzen auf einem Zweig hocken die Kinder auf einem Sims des Klosters neben der Grabeskirche. Als sie mich inmitten einer Pilgergruppe den Hof betreten sehen, hopsen sie herunter, flitzen zu mir herüber und rennen dabei fast zwei Dominikaner um. Aufgeregt scharen sie sich um mich und schreien durcheinander, sodass ich nur ein Wort verstehen kann: »Der Tempelritter!«
    »Was ist mit dem Tempelritter?«
    »Er war hier!«, schreien Akiva und Karim gleichzeitig. »Er war wirklich hier. Wie du gesagt hast.«
    »Wann?«, frage ich bestürzt.
    »K-kurz nachdem d-du in die K-Kirche gegangen bist«, berichtet Elija mit großen Augen. »Er sah s-so aus, wie du g-gesa-hagt hast: weißer M-M-Mantel mit ro-hotem K-K-Kreuz. Sein G-G-Ge…«, quält er die Worte heraus.
    Als die anderen ungeduldig zu schreien beginnen, hebe ich die Hand. »Lasst ihn ausreden!«
    »Aber er stottert!«, wendet Ioannis ein.
    »Moses hat auch gestottert«, erwidere ich.
    »Deshalb hatte Gott ein Einsehen mit den Israeliten und hat die Zehn Gebote auf Steintafeln geschrieben«, entgegnet Ioannis frech. »Damit Moses sie seinem Volk nicht verkünden musste: ›Ich b-bin der He-Herr, dein G-Gott, der dich aus dem L-Land Ägypten herausgeführt hat. D-du sollst keine andern Gö-Götter haben neben m-m-mir.‹«
    Brüllendes Gelächter. Elija läuft schamrot an, lässt die Schultern sinken, wendet sich ab und trottet davon.
    »Elija?«, frage ich sanft. »Du wolltest mir etwas sagen, als die anderen dich so respektlos unterbrachen?«
    Er hält inne, sieht erst seine Freunde und dann mich an. Tränen funkeln in seinen Augen.
    »Komm her, und erzähle es mir.«
    Mit dem staubigen Ärmel wischt er sich über das Gesicht und zieht die Nase hoch. Dann kommt er zu mir.
    Ich verwuschele sein lockiges dunkles Haar. »Also?«
    »S-Sein Gesicht sah schrecklich aus. Er hat eine l-lange N-Narbe von der Stirn bis zum Kinn. Und sein rechtes Auge ist … zugeschwollen … wie von einer furchtbaren Brandw-w-wunde.«
    »Das war ich, mit einer Fackel. Ich habe letzte Nacht gegen ihn gekämpft. Er wollte mich töten.«
    Staunende Gesichter. Respektvolles Getuschel.
    »Was hat der Tempelritter dann getan?«
    »Er ist in die Kirche gegangen, um dich zu suchen. Und ich bin ihm gefolgt.«
    »Das war sehr mutig von dir, Elija. Das hättest du aber nicht tun sollen. Es ist viel zu

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