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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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den Primat für sich beansprucht, und den Patriarchen von Konstantinopolis, Alexandria, Antiochia und Jerusalem ist nach wie vor ungeklärt …
    »Seine Heiligkeit hat mich nach Jerusalem geschickt, um einen Mord aufzuklären, der vor fünf Wochen im Vatikan begangen wurde«, erkläre ich dem Patriarchen.
    Er hebt die Augenbrauen. »Ein Mord im Vatikan?«
    »Ein Freund von mir, Fra Leonardo d’Assisi, der Leiter des päpstlichen Archivs, hat einen Geheimagenten des Christusordens überrascht, als der einen aramäischen Papyrus aus den Gewölben des Archivs entwenden wollte. Der Ritter, Dom Tristão de Castro, hat Fra Leonardo getötet und die Schriftrolle mitgenommen. Er ist in Jerusalem. Der Papst wünscht, dass ich den gestohlenen Papyrus nach Rom zurückbringe. Und dass ich Dom Tristão hiervon in Kenntnis setze.«
    Ich ziehe das päpstliche Breve aus der Tasche und gebe es ihm. Stirnrunzelnd entfaltet er das steife Pergament, starrt auf das Siegel von Papst Eugenius und überfliegt den lateinischen Text. » Dazu hat er Euch ermächtigt?«
    »Wie Ihr seht.«
    »Und wozu braucht Ihr mich?«
    »Ich hoffe, Ihr könnt mir sagen, wo sich die Christusritter verborgen halten.«
    » Die Christusritter?«
    »Dom Tristão de Castro ist mir von Rom nach Jerusalem gefolgt. Letzte Nacht hat er versucht, mich zu töten. Sein Ordensbruder Don Rodrigo, der bei diesem Kampf starb, war bereits in Jerusalem, als ich vor vier Tagen ankam. Der Junge war sechzehn oder siebzehn – ich glaube nicht, dass er allein hier war. Die Mission der Christusritter ist gefährlich.«
    Ich berichte dem Patriarchen von meinen Vermutungen hinsichtlich der Pläne des Infanten von Portugal zu einem Kreuzzug zur Befreiung von Jerualem und zu einem Bündnis mit dem legendären Priesterkönig Johannes, dem christlichen Kaiser von Äthiopien.
    »Die Ordensregel gebietet, dass die Ritter den weißen Habit mit dem roten Kreuz niemals ablegen dürfen. Dom Tristão und Don Rodrigo haben sich an dieses Gebot gehalten – sie sind also als Ritter Christi zu erkennen. Euer Seligkeit, wisst Ihr, wo sich die Mönche verborgen halten?«
    Er schüttelt langsam den Kopf. Kann er es mir nicht sagen, oder will er es nicht?
    »Heute Morgen habe ich Gebre Christos besucht, den äthiopischen Abt der Grabeskirche, um ihn zu fragen, wo sich die Christusritter verstecken.«
    Er umfasst den kaiserlichen Adler der Palaiologoi auf seiner Brust. »Woher kennt Ihr ihn?«
    »Vom Unionskonzil in Florenz. Er war zu Gast in meinem Palaz…«
    »Wie auch andere hohe orthodoxe Würdenträger. Seine Allheiligkeit, Patriarch Joseph II . von Konstantinopolis, zum Beispiel. Oder Seine Seligkeit Niketas IV . Evangelos, Metropolit und Erzbischof von Athen, Exarchos von Griechenland, Archimandrit von Konstantinopolis, Abt von Mistra … der zum Verräter an seinem orthodoxen Glauben wurde, zum Judas, der den wahren Glauben Iesou Christou für einen Fetzen purpurner Seide verraten hat!«, schleudert er mir seine Verachtung und seinen Hass entgegen.
    Ich atme tief durch, um mich zu beruhigen. »Niketas hat den Purpur abgelehnt, als Papst Eugenius ihn zum ersten Kardinal der vereinigten Kirche ernennen wollte. Und ebenso hat er sich dem Wunsch des Kaisers verweigert, der ihn zum orthodoxen Patriarchen von Konstantinopolis machen wollte. Er hat seine Ämter und Ehrentitel niedergelegt und sich für ein Leben mit mir entschieden.« Mit einem Mal muss ich gegen die Tränen ankämpfen. Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. »Euer Seligkeit, Niketas starb in meinen Armen. Es war ein qualvoller Tod. Können wir ihn nicht endlich in Frieden ruhen lassen?«
    »Kyria Alessandra …« Der Patriarch besinnt sich und verstummt. Sodann schnauft er und beginnt noch einmal, dieses Mal beherrschter und ruhiger. »Kyria Alessandra, was steht in dem Papyrus, der aus dem Vatikan entwendet wurde?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Weil Ihr es mir nicht sagen wollt? «
    »Weil ich es Euch nicht sagen kann. Nur so viel: Er ist von immenser Bedeutung für die Kirche.«
    »Für welche Kirche?«, lauert er.
    »Ihr wisst, von welcher Kirche ich spreche!«, erkläre ich mit fester Stimme. »›Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche errichten.‹ Der Evangelist unterschied nicht zwischen römisch-katholisch und byzantinisch-orthodox, zwischen koptisch, syrisch, armenisch, georgisch, russisch, assyrisch, indisch und äthiopisch. Und ich tue das auch nicht. Ich spreche also von der Kirche, die

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