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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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›diesem verzogenen Bengel‹ all seine Vergehen zu verzeihen – selbst die erotischen Abenteuer im königlichen Harem. Nach unserer Rückkehr nach Al-Kahira wird Arslan Jadiyas Schwester heiraten, bevor in sechs Wochen sein Kind geboren wird. Vom privilegierten Königsmamelucken zum Schwiegersohn des Sultans – die Nächte in Yasminas Bett haben seinem Aufstieg nicht gerade geschadet.
    Arslan legt mir eine Hand auf die Schulter. »Du machst dir Sorgen um sie.«
    »Und wie!«
    »Und ich mache mir Sorgen um dich, Yared. Uthman hat gesehen, wie du dich nach der Audienz des Botschafters von Gharnata beinahe mit Benyamin zerstritten hast – das hat ihn erschreckt. Als er heute Mittag neben mir in der Al-Aqsa kniete und betete, habe ich ihn beobachtet. Er war traurig. Und sehr enttäuscht. Aber er respektiert deine Entscheidung, denn er fürchtet, dass eure innige Freundschaft beendet wäre, wenn er dir noch länger ins Gewissen redet. Aber wie wird unser Vater reagieren?« Er deutet auf die gerollte Botschaft in seiner Hand. »Der Sultan hofft, dass du Jadiya heiratest und ihm als Dawadar einen großen Teil der Regierungsgeschäfte abnimmst, die ihm wegen seiner schweren Krankheit immer mehr zur Belastung werden. Das kannst du aber nur, wenn du konvertierst. Yared, ich mache mir wirklich große Sorgen um dich. Was soll denn nun werden?«
    »Ich weiß es nicht«, gestehe ich leise. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Ich kann mir denken, wie du dich fühlst. Wie auch immer du dich entscheiden wirst, Yared – ich werde zu dir stehen.«
    »Danke, mein Freund.«
    Er lächelt matt. »Schon gut. Ich bringe Uthman den Brief unseres Vaters. Dann mache ich mich auf die Suche nach dem Templerschwert.«
    Kaum ist er gegangen, vernehme ich Hufgetrappel auf dem steinigen Weg unterhalb des Davidsturms und das schrille Iahen eines Esels.
    Ich lehne mich über die Brüstung und blicke hinunter.
    Umgeben von einer Schar Mönche und Priester reitet der griechische Patriarch auf einem Esel bis vor das Portal der Zitadelle, lässt sich von seinem Gefolge aus dem unbequemen Sattel helfen, streicht das schwarze Gewand glatt, rückt die Schleierhaube zurecht und blickt zu mir herauf. Seinen verkniffenen Gesichtsausdruck kann ich nicht deuten. Er verneigt sich hoheitsvoll, und ich erwidere seinen Gruß. Dann durchschreitet er mit seinem Gefolge das Portal, und ich verliere ihn aus den Augen.
    Gedankenversunken sehe ich hinüber zum Felsendom, dessen Kuppel zu glühen scheint. Wie großartig muss einst der Tempel des Herodes gewesen sein, bevor Titus ihn zerstörte!
    ›Das Äußere des Tempels ließ Herz und Augen staunen‹, hat Flavius Josephus geschrieben. ›Denn der Tempel war über und über mit dicken Goldplatten umhüllt, und wenn die Sonne aufging, gab er einen Glanz wie Feuer von sich, sodass der Betrachter sein Auge wie vor den Strahlen der Sonne abwandte. Die Fremden, die sich Jerusalem näherten, hatten den Eindruck eines Schneegipfels, denn wo der Tempel nicht schimmerte wie Gold, war er leuchtend weiß.‹
    Welch atemberaubender Anblick muss das gewesen sein!
    ›Der innerste Raum des Tempels war durch einen Vorraum abgetrennt, und er war vollkommen leer. Niemand durfte ihn betreten oder auch nur hineinschauen. Man nannte ihn das Kodesch ha-Kodaschim, das Allerheiligste.‹
    In jenem Raum hatten zur Zeit von König Salomo die goldenen Cherubim ihre Flügel über die heilige Lade ausge…
    »Yared?«, reißt Benyamin mich aus meinen Gedanken. »Rabbi Eleazar, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, wünscht den Emir zu sprechen. Wegen des seidenen Tallitfadens, der heute Morgen im Felsendom gefunden wurde. Und Patriarch Joachim ist angekommen. Er erwartet dich im Audienzraum. Er will unter vier Augen mit dir reden. Willst du Rabbi Eleazar noch vor dem Patriarchen empfangen? Oder soll er heute Abend, nach dem Schabbatgottesdienst, wiederkommen?«
    Ich atme tief durch.
    »Yared, wenn du dich nicht wohlfühlst, kann ich …«
    »Es geht mir gut«, versichere ich ihm. »Würdest du Rabbi Eleazar bitte zu mir bringen? Der Patriarch möge sich einige Minuten gedulden.«
    »Ich sag’s ihm.«
    »Ist für heute Abend schon alles vorbereitet?«
    Er nickt, dann wendet er sich um und verlässt mich. Wenig später führt er einen ehrwürdigen Rabbiner auf den Turm.
    »Rabbi Eleazar.« Benyamin stellt mir einen kleinen, zierlichen Mann mit blassblauen Augen, schütterem weißen Haar und eindrucksvollem Bart vor, der sich bis auf seine

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