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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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»Tristão, was hast du vor?«
    »Morgen wird der syrische Mönch die Übersetzung der Baruch-Apokalypse fertiggestellt haben und mir den Papyrus zurückgeben.«
    »Vertraust du diesem … Wie heißt er?«
    »Ich vertraue ihm so lange, bis ich die Schriftrolle wieder in Händen halte.«
    »Er ist ein Christ, Tristão!«
    »Einen Ungläubigen zu töten ist keine Sünde, sondern der Weg ins Königreich der Himmel. Er ist ein verfluchter Häretiker.«
    »Nicht nach dem Unionsdekret von Flo…«
    »Die Syrer haben den römischen Glauben und den lateinischen Ritus nicht angenommen. Sie nennen sich uniert und verbreiten weiter ihre gotteslästerlichen Lehren.«
    »Sobald du den Papyrus in Händen hältst, willst du ins Labyrinth zurückkehren und die Bundeslade suchen«, vermutet Lançarote. Sein unwilliger Tonfall lässt darauf schließen, dass er die blutigen Pläne seines Schwertbruders missbilligt.
    »Wer die heilige Lade besitzt, wird die geistige Oberhoheit über das Christentum erringen und die Macht haben, Judentum und Islam ein für alle Mal zu vernichten und die gesamte Christenheit unter der Fahne des wahren Glaubens zu vereinen. Die Baruch-Apokalypse verweist auf dieselbe Stelle unterhalb des Felsendoms, die Alessandra in ihrem Notizbuch mit einem Templerkreuz markiert hat. Letzte Nacht hat sie an ebendieser Stelle die Tempelbibliothek gefunden. Warte, ich zeige es dir.«
    Erschrocken halte ich den Atem an, als Tristão sich über seine Reisetruhe beugt und darin wühlt.
    Ich muss so schnell wie möglich verschwinden!
    Während ich schon durch den Kreuzgang in Richtung des Portals hetze, höre ich noch, wie Tristão bestürzt sagt: »Ihr Notizbuch ist weg.«
    »Heilige Maria, Mutter Gottes! Siehst du das Wachs auf dem Boden?«, ruft Lançarote. »Es ist noch warm. Sie ist noch hier! «
    Hinter mir vernehme ich, wie die Ritter Christi aufspringen und ihre Schwerter ziehen.
    Sie suchen mich im Kreuzgang!
    Im letzten Augenblick, bevor ich entdeckt werde, husche ich durch das Portal.
    »Heilige Jungfrau, Rodrigos Schwert! Sieh in der Kapelle nach!«, ruft Tristão. »Unter dem Katafalk!«
    Schritte.
    »Dort ist sie nicht!«, antwortet Lançarote. »Lass uns …«
    Raschelnd durchquere ich das trockene Gras vor dem Klostertor. Hastig blicke ich mich um. Die Halme zerknicken unter meinen Füßen und bilden eine selbst in der Dunkelheit erkennbare Spur. Dann habe ich das dichte Dornengestrüpp erreicht. Was Lançarote seinem Freund vorschlägt, kann ich nicht mehr hören.
    Als ich geschwind durch den Durchgang schlüpfe, bleibe ich an den Dornen hängen. Mit einem lauten Zischen zerreißt mein Gewand.
    Mit zitternden Knien warte ich im Schutz der dichten Hecke, beruhige meinen keuchenden Atem und horche in die nächtliche Stille.
    Alles ist ruhig.
    Doch dann bleibt mir fast das Herz stehen, als die Glocke des nahen Franziskanerkonvents schlägt.
    Neun Uhr.
    Elija macht sich auf den Weg zur Zitadelle!
    Nach einem letzten Blick zurück zur Klosterruine stolpere ich, so schnell ich kann, den Hang des Berges Zion hinauf. Vorbei am erleuchteten Davidsgrab renne ich schwer atmend wieder hinunter zum Zionstor.
    Auf den Stufen einer armenischen Kirche wartet der verhüllte griechische Mönch, der mich bis zur Kathedrale verfolgt hat. Als er mich erkennt, springt er erschrocken auf und flüchtet überstürzt in den Schatten einer nahen Gasse.
    Ich beachte ihn nicht weiter, wende mich nach Westen, hetze an der Stadtmauer entlang, biege nach Norden ab und erreiche schließlich das armenische Patriarchat.
    Weit und breit keine Spur von Elija.
    Dann sehe ich ihn – vor dem Portal des alten Palastes der Kreuzfahrerkönige. Er trödelt auf dem Weg zur Zitadelle und blickt sich immer wieder um, ob ich nicht doch noch auftauche.
    Als er mich kommen sieht, bleibt er stehen. Dann rennt er mir entgegen und wirft sich ungestüm in meine Arme. »Ich hatte solche Angst, dass du nicht wiederkommst! Dass die Tempelritter dich erwischt haben.« Er presst das Gesicht an meine Schulter.
    »Schon gut, Elija«, tröste ich ihn. »Schon gut.«
    Aus der Jakobusstraße marschiert ein Trupp von sieben bewaffneten Mamelucken mit schweren Schritten auf mich zu. Eine Flucht erscheint unmöglich. Der Offizier bleibt vor mir stehen und mustert im Schein seiner Fackel den blauen Schleier, der mein Gesicht verhüllt. »Alessandra d’Ascoli?«
    »Verschwinde, Elija«, flüstere ich hastig. »Lauf zu Rabbi Eleazar und bitte ihn, ob du heute Nacht bei ihm

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