Der Gotteswahn
unserer Zeit wie Haile Selassie, Elvis Presley oder Prinzessin Diana.
Damit möchte ich meine Erörterung über die Wurzeln der Religion abschließen. Ich werde nur im zehnten Kapitel noch einmal darauf zurückkommen, wenn ich im Zusammenhang mit den psychologischen »Bedürfnissen«, die von der Religion erfüllt werden, das Phänomen des »imaginären Freundes« in der Kindheit diskutiere.
Häufig herrscht die Ansicht, Ethik habe ihre Wurzeln in der Religion; diese Auffassung möchte ich im nächsten Kapitel infrage stellen. Ich werde darlegen, wie man auch die Entstehung der Ethik einer darwinistischen Fragestellung unterwerfen kann. Die Frage, worin der darwinistische Überlebenswert der Religion besteht, können wir genauso auch im Zusammenhang mit der Ethik stellen. Die Ethik ist vermutlich sogar älter als die Religion. Genau wie wir uns bei der Religion von der Frage abgewandt und sie neu formuliert haben, werden wir auch bei der Ethik feststellen, dass man sie vermutlich am besten als Nebenprodukt von etwas anderem betrachtet.
6. Die Wurzeln der Moral: Warum sind wir gut?
Seltsam ist unsere Situation hier auf Erden. Jeder von uns kommt zu einem kurzen Besuch, ohne zu wissen warum, und doch anscheinend manchmal um einen Zweck zu erfüllen. Es gibt jedoch eines, das wir mit Sicherheit wissen: Der Mensch ist hier um der anderen Menschen willen – vor allem für jene, von deren Lächeln und Wohlergehen unser eigenes Glück abhängt.#
Albert Einstein
Viele religiöse Menschen können sich kaum vorstellen, wie man ohne Religion Gutes tun oder auch nur das Bedürfnis dazu empfinden kann. Mit solchen Fragen werde ich mich in diesem Kapitel beschäftigen. Aber die Verunsicherung geht noch tiefer – so tief, dass sie manche religiösen Menschen zu Hasstiraden gegen alle treibt, die nicht ihren Glauben teilen. Das ist insofern wichtig, als sich ethische Erwägungen auch hinter religiösen Einstellungen zu anderen Themen verbergen, die in keinem echten Zusammenhang mit der Ethik stehen. Die Opposition gegen die Evolutionslehre hat zu einem großen Teil nicht mit der Evolution selbst oder überhaupt mit naturwissenschaftlichen Fragen zu tun, sondern ihr Motiv ist moralische Empörung. Das Spektrum reicht von einem naiven »Wenn du meinen Kindern beibringst, dass sie von Affen abstammen, werden sie sich auch wie Affen benehmen« bis zur raffinierten Motivation für die »Keilstrategie« der »Intelligent Design«-Bewegung, die von Barbara Forrest und Paul Gross in ihrem Buch Creationism’s Trojan Horse: The Wedge of Intelligent Design (»Das Trojanische Pferd des Kreationismus: Der Keil des Intelligent Design«) gnadenlos offengelegt wird.
Ich bekomme von den Lesern meiner Bücher zahlreiche Briefe. [35] Die meisten sind begeistert und freundlich, manche enthalten nützliche Kritik, und ein paar sind auch gehässig oder gar heimtückisch. Leider muss ich berichten, dass die gehässigsten Zuschriften fast immer religiös motiviert sind. Solche unchristlichen Beschimpfungen erleben all jene, die als Feinde des Christentums wahrgenommen werden, sehr häufig. Der folgende Brief wurde im Internet veröffentlicht. Sein Adressat ist Brian Flemming, der Autor und Regisseur des Films The God Who Wasn’t There (»Der Gott, den es nicht gab«) 95 – ein Film, der sich aufrichtig und anrührend für den Atheismus einsetzt. Unter der Überschrift »Brenne, während wir lachen« und mit dem Datum vom 21. Dezember 2005 heißt es in dem Brief an Flemming:
Ihr habt eindeutig nicht alle Tassen im Schrank. Am liebsten würde ich ein Messer nehmen, euch Idioten den Bauch aufschlitzen und vor Freude schreien, wenn euer Inneres vor euch nach außen quillt. Ihr wollt einen heiligen Krieg anzetteln, aber dabei werden ich und meinesgleichen eines Tages das Vergnügen haben, Taten wie die gerade erwähnte zu begehen.
An dieser Stelle ereilte den Schreiber offenbar die verspätete Einsicht, dass er sich einer nicht gerade christlichen Sprache bediente, denn er fährt versöhnlicher fort:
Aber GOTT lehrt uns, nicht nach Rache zu streben, sondern für Menschen wie euch zu beten.
Indes, seine Nächstenliebe ist nicht von langer Dauer:
Mich tröstet die Gewissheit, dass die Strafe, die GOTT euch auferlegen wird, tausendmal schlimmer ist als alles, was ich euch antun könnte. Das Beste dabei ist noch, dass ihr ewig für diese Sünden büßen werdet, von denen ihr überhaupt nichts wisst. Der Zorn GOTTES wird keine Gnade
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