Der Gotteswahn
kennen. Um eurer selbst willen hoffe ich, dass euch die Wahrheit offenbart wird, bevor das Messer sich in euer Fleisch senkt. Frohe WEIHNACHTEN!
P. S. Ihr habt wirklich keine Ahnung, was euch noch erwartet … Ich danke GOTT, dass ich nicht bin wie ihr.
Für mich ist es ein echtes Rätsel, wie eine schlichte theologische Meinungsverschiedenheit Anlass zu so viel Gehässigkeit geben kann. Das folgende Beispiel stammt aus dem Posteingang der Redaktion von Freethought Today (»Freidenkertum heute«), einer Zeitschrift, die von der Freedom from Religion Foundation (FFRF) herausgegeben wird und in den Vereinigten Staaten friedlichen Widerstand gegen die schleichende Unterwanderung der verfassungsmäßigen Trennung von Kirche und Staat leistet:
Hallo, ihr Käse fressender Abschaum. Von uns Christen gibt es viel mehr als von euch Verlierertypen. Es gibt KEINE Trennung von Kirche und Staat, und ihr Heiden werdet verlieren …
Wie war das doch gleich mit dem Käse? Amerikanische Freunde sagten mir, das könne als Anspielung auf den berüchtigt liberalen US-Bundesstaat Wisconsin gemeint sein, der sowohl Sitz der FFRF als auch Heimat einer großen Molkereiindustrie ist. Aber steckt nicht doch mehr dahinter? Und wie steht es mit den französischen »Käse fressenden Kapitulationsaffen«, auf die der konservative Journalist Jonah Goldberg vor Beginn des Irakkrieges eindrosch? Welchen Symbolwert hat Käse? Aber lesen wir weiter:
Teufelsanbetender Abschaum … Bitte sterbt und fahrt zur Hölle … Ich hoffe, ihr bekommt eine schmerzhafte Krankheit, zum Beispiel Arschkrebs, und sterbt dann einen schmerzhaften langsamen Tod, damit ihr euren Gott treffen könnt, den SATAN … Ey Leute, dieses Zeug mit der Religionsfreiheit, das ist doch geil … Also ihr Schwulis und Lesben, nehmt’s leicht und passt auf, wo ihr hingeht, denn Gott erwischt euch, wenn ihr’s am wenigsten erwartet … Wenn euch dieses Land und das, weswegen es gegründet wurde, nicht gefällt, dann haut verdammt noch mal ab und geht direkt in die Hölle …
PS Scheiß drauf, du Kommunistennutte … Bewegt eure schwarzen Ärsche raus aus den USA … Ihr habt keine Ausrede. Die Schöpfung ist mehr als Beweis genug für die Allmacht des HERRN JESUS CHRISTUS.
Warum denn nicht Allahs Allmacht? Oder die des Herrn Brahma? Oder gar die des Rächergottes Jahwe?
Wir werden nicht sang- und klanglos verschwinden. Wenn in Zukunft Gewalt nötig ist, denkt daran, dass ihr angefangen habt. Mein Gewehr ist geladen.
Für mich drängt sich hier vor allem die Frage auf, wie man glauben kann, Gott habe eine derart hitzige Verteidigung nötig. Man sollte doch meinen, dass Gott ohne weiteres in der Lage ist, für seine eigenen Belange einzutreten. Wenn nicht er, wer sonst? Außerdem ist noch zu bedenken, dass die so boshaft beschimpfte und bedrohte Redakteurin der Zeitschrift in Wahrheit eine sanfte, liebenswürdige junge Frau ist.
Wenn die Schmähbriefe, die ich selbst erhalte, meist nicht in dieser Liga spielen, liegt das vielleicht daran, dass ich nicht in den Vereinigten Staaten lebe. Doch auch aus ihnen spricht nicht gerade jene Nächstenliebe, für die der Gründer des Christentums gerühmt wurde. Das folgende Schreiben vom Mai 2005 stammt von einem britischen Doktor der Medizin. Es ist zwar voller Hass, wirkt auf mich aber eher gequält als gehässig und macht deutlich, wie die ganze Frage der Ethik zu einem reichen Quell der Feindseligkeit gegen den Atheismus wird. Nach einigen einleitenden Absätzen, in denen er über die Evolution herzieht (und die sarkastische Frage stellt, ob sich ein »Neger« noch »im Evolutionsprozess befindet«), greift er Darwin persönlich an, zitiert Huxley fälschlich als Evolutionsgegner und fordert mich auf, ein Buch zu lesen (was ich getan habe), welches die Ansicht vertritt, die Welt sei nur achttausend Jahre alt (kann er seinen Doktor wirklich selbst gemacht haben?). Am Ende schreibt er:
Ihre eigenen Bücher, Ihr Ansehen in Oxford, alles, was Ihnen im Leben lieb ist und was Sie erreicht haben, ist eine Übung in völliger Nutzlosigkeit … Camus’ herausfordernde Frage wird unausweichlich: Warum begehen wir nicht alle Selbstmord? Tatsächlich hat Ihre Weltanschauung auf Studenten und viele andere genau diese Wirkung … dass wir alle uns durch blinden Zufall aus dem Nichts entwickelt haben und wieder ins Nichts zurückkehren. Selbst wenn die Religion nicht wahr wäre, wäre es immer noch viel, viel besser, an einen edlen Mythos
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