Der Gotteswahn
holy ground?
How the troops of Midian
Prowl and prowl around?
Christian, up and smite them,
Counting gain but loss;
Smite them by the merit
Of the holy cross.
[Du Christ, kannst du sie sehen
Auf dem heil’gen Grund?
Wie die Truppen von Midian
Schleichen im Land herum?
Auf, du Christ, zerschlag sie,
Zähl nicht Gewinn, Verlust;
Schlag sie um Christi willen,
Der am Kreuz für dich sterben musst’.]
Arme, verleumdete, abgeschlachtete Midianiter. Im Gedächtnis geblieben seid ihr nur in einem Viktorianischen Kirchenlied als Symbol für das allgegenwärtige Böse.
Eine immerwährende Versuchung zu Seitensprüngen bei der Anbetung ging offenbar von dem Konkurrenzgott Baal aus. Im Vierten Buch Mose, Kapitel 25, werden viele Israeliten von den Frauen der Moabiter dazu verführt, Baal anzubeten. Gott reagiert darauf mit seinem charakteristischen Zorn. Er befiehlt Mose: »Nimm alle Oberen des Volks und hänge sie vor dem Herrn auf im Angesicht der Sonne, damit sich der grimmige Zorn des Herrn von Israel wende.« Auch hier kann man sich nur darüber wundern, mit welchen außerordentlich drakonischen Maßnahmen die Sünde, mit rivalisierenden Göttern zu liebäugeln, geahndet wird. In unserem modernen Werte- und Gerechtigkeitsempfinden ist das eine geringfügige Sünde im Vergleich etwa zu dem Mann, der seine Tochter einer Massenvergewaltigung ausliefert. Auch hier haben wir ein Beispiel für die Kluft zwischen alttestamentlicher und moderner (man ist versucht, zu sagen: zivilisierter) Moral. Leicht zu verstehen ist das Ganze natürlich vor dem Hintergrund der Memtheorie und der Eigenschaften, die eine Gottheit haben muss, um im Mempool zu überleben.
Die tragikomische Farce über Gottes manische Eifersucht auf andere Götter ist im gesamten Alten Testament ein immer wiederkehrendes Thema. Sie steht hinter dem ersten der Zehn Gebote (gemeint sind die auf den Steintafeln, die Mose zerbrochen hat: 2. Mose 20,5. Mose 5) und wird noch deutlicher in den (ansonsten ganz anders lautenden) Ersatzgeboten, die Gott anstelle der zerbrochenen Tafeln ausgibt (2. Mose 34). Nachdem Gott versprochen hat, die unglückseligen Amoriter, Kanaaniter, Hethiter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter aus ihrer Heimat zu vertreiben, kommt er auf das zu sprechen, worum es eigentlich geht: die Konkurrenzgötter!
Ihre Altäre sollst du umstürzen und die Steinmale zerbrechen und ihre heiligen Pfähle umhauen; denn du sollst keinen anderen Gott anbeten. Denn der Herr heißt ein Eiferer; ein eifernder Gott ist er. Hüte dich, einen Bund zu schließen mit den Bewohnern des Landes, damit sie, wenn sie ihren Göttern nachlaufen und ihnen opfern, dich nicht einladen und du von ihren Opfern essest und damit du für deine Söhne ihre Töchter nicht zu Frauen nehmest und diese dann ihren Göttern nachlaufen und machen, dass deine Söhne auch ihren Göttern nachlaufen! Du sollst dir keine gegossenen Götterbilder machen (2. Mose 34,13–17).
Natürlich, ich weiß: Die Zeiten haben sich geändert, und heute denkt kein Religionsführer (abgesehen von den Taliban und ihresgleichen, ihrer amerikanisch-christlichen Entsprechung) wie Mose. Und genau darum geht es mir: Woher unsere heutige Ethik auch kommen mag, aus der Bibel stammt sie jedenfalls nicht. Die Religionsvertreter kommen mir nicht mit der Behauptung davon, die Religion liefere ihnen eine Art innere Richtschnur, mit der sie besser definieren könnten, was gut und was schlecht ist – die Religion sei eine bevorrechtigte Quelle der Moral, die für Atheisten unerreichbar bleibt. Aber damit kommen sie selbst dann nicht durch, wenn sie ihren Lieblingstrick anwenden und bestimmte Stellen aus der Heiligen Schrift nicht wörtlich, sondern als »Symbole« interpretieren. Nach welchen Kriterien entscheiden sie denn, welche Stellen symbolisch und welche wörtlich zu verstehen sind?
Die ethnische Säuberung, die zu Zeiten Moses begann, findet ihren blutigen Höhepunkt im Buch Josua, einem Text, der durch die darin aufgezeichneten blutrünstigen Massaker ebenso auffällt wie durch seine genüsslich ausgebreitete Fremdenfeindlichkeit. Oder, wie es in einem liebenswürdigen alten Spiritual heißt: »Joshua fit the battle of Jericho, and the walls came a-tumbling down … There’s none like good old Joshuay, at the battle of Jericho.« (»Josua schlug die Schlacht von Jericho, und die Mauern stürzten ein … Niemand ist wie der gute alte Josua in der Schlacht von Jericho.«) Jaja, der gute alte Josua gab
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