Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
keine Ruhe: »[Sie] vollstreckten den Bann an allem, was in der Stadt war, mit der Schärfe des Schwerts, an Mann und Weib, jung und alt, Rindern, Schafen und Eseln« (Josua 6,21).
    Wieder einmal werden die Theologen einwenden, es habe sich so nicht abgespielt. Nun ja, so nicht – in der biblischen Geschichte brechen die Mauern zusammen, nur weil Männer schreien und Trompete spielen, und so kann es tatsächlich nicht gewesen sein; aber darum geht es nicht. Entscheidend ist etwas anderes: Ob die Geschichte nun stimmt oder nicht, die Bibel wird uns als Quelle unserer Moral vorgehalten. Und die biblische Geschichte über die Zerstörung Jerichos durch Josua sowie ganz allgemein über den Einzug ins Gelobte Land ist moralisch nicht von Hitlers Invasion in Polen oder Saddam Husseins Massakern an Kurden und Marsch-Arabern zu unterscheiden. Die Bibel mag eine fesselnde, poetische Erzählung sein, aber sie gehört sicher nicht zu den Büchern, die man Kindern zur Festigung ihrer Moral in die Hand geben sollte. Nebenbei bemerkt: Die Geschichte von Josua und Jericho wurde zum Gegenstand eines interessanten Experiments zur kindlichen Ethik; ich werde später in diesem Kapitel darauf zurückkommen.
    Übrigens sollte man nicht glauben, die Gottesgestalt in der Geschichte habe im Zusammenhang mit dem Gemetzel und Völkermord, welche die Eroberung des Gelobten Landes begleiteten, irgendwelche Zweifel oder Skrupel gehabt. Im Gegenteil: Seine Befehle, etwa im Fünften Buch Mose, Kapitel 20, sind von gnadenloser Eindeutigkeit. Er traf eine klare Unterscheidung zwischen den Menschen, die in dem benötigten Land lebten, und jenen, die weit entfernt wohnten. Letztere sollten aufgefordert werden, sich friedlich zu unterwerfen. Wenn sie sich weigerten, sollten alle Männer getötet werden, und die Frauen sollte man zur weiteren Fortpflanzung mitnehmen. Im Gegensatz zu dieser noch relativ humanen Behandlung kann man sich ansehen, was für die Stämme vorgesehen war, die das Pech hatten, bereits in der Nähe des versprochenen »Lebensraumes« ansässig zu sein: »Aber in den Städten dieser Völker hier, die dir der Herr, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern sollst an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat.« (5. Mose 20,16–17)
    Haben diejenigen, die uns die Bibel als Anregung zu moralischer Rechtschaffenheit vorhalten, eigentlich die geringste Ahnung davon, was darin tatsächlich geschrieben steht? Nach dem Fünften Buch Mose, Kapitel 20, sind folgende Vergehen mit dem Tod zu bestrafen: Verfluchen der Eltern; Ehebruch; Geschlechtsverkehr mit der Stiefmutter oder der Schwiegertochter; Homosexualität; Ehe mit einer Frau und ihrer Tochter; Sodomie (wobei, um zur Beleidigung noch die Ungerechtigkeit hinzuzufügen, auch das unglückselige Tier getötet werden muss). Natürlich wird man auch hingerichtet, wenn man am Sabbat arbeitet: Diese Aussage findet sich im Alten Testament immer und immer wieder. Im Vierten Buch Mose, Kapitel 15, finden die Israeliten in der Wildnis einen Mann, der am verbotenen Tag Brennholz sammelt. Sie nehmen ihn fest und fragen Gott, was sie mit ihm machen sollen. Wie sich herausstellt, ist Gott an diesem Tag nicht in der Stimmung, halbe Sachen zu machen. »Der Herr aber sprach zu Mose: Der Mann soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen draußen vor dem Lager. Da führte die ganze Gemeinde ihn hinaus vor das Lager und steinigte ihn, sodass er starb, wie der Herr dem Mose geboten hatte.« (4. Mose 15, 35–36) Hatte dieser harmlose Brennholzsammler eine Frau und Kinder, die um ihn trauerten? Wimmerte er vor Angst, als die ersten Steine flogen, und schrie er vor Schmerzen, als das Bombardement seinen Kopf traf? Mich erschreckt heute an solchen Geschichten nicht, dass sie sich tatsächlich abgespielt haben. Das war vermutlich nicht der Fall. Aber ich kann nur den Kopf darüber schütteln, dass Menschen ihr Leben noch heute auf ein derart widerwärtiges Vorbild wie Jahwe stützen – und, was noch schlimmer ist, dass sie rechthaberisch versuchen, dieses böse Ungeheuer (ob echt oder erfunden) auch uns anderen aufzuzwingen.
    Besonders bedauerlich ist, dass die Zehn-Gebote-Verkünder gerade in den Vereinigten Staaten eine derartige politische Macht haben, in jener großartigen Republik, deren Verfassung von Männern der Aufklärung

Weitere Kostenlose Bücher