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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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gemeinsam betrachten kann. Alle »Beweise« beruhen auf einer unendlichen Regression – die Antwort auf eine Frage wirft eine vorausgehende Frage auf, und so weiter ad infinitum.

    1.     Der unbewegte Beweger. Nichts bewegt sich, ohne dass es zuvor einen Beweger gibt. Das führt zu einer Regression, und Gott ist der einzige Ausweg. Irgendetwas muss die erste Bewegung veranlasst haben, und dieses Etwas nennen wir Gott.
    2.     Die Ursache ohne Ursache. Nichts wird von sich selbst verursacht. Jede Wirkung hat eine vorausgehende Ursache, und wieder landen wir in der Regression. Diese muss durch eine erste Ursache beendet werden, die wir Gott nennen.

    3.     Das kosmologische Argument. Es muss eine Zeit gegeben haben, in der keine physikalischen Objekte existierten. Da heute aber physikalische Gegenstände vorhanden sind, muss irgendetwas Nichtphysikalisches sie ins Dasein gebracht haben, und dieses Etwas nennen wir Gott.

    Alle drei Argumente stützen sich auf den Gedanken der Regression und greifen auf Gott zurück, um sie zu beenden. Sie gehen von der völlig unbewiesenen Voraussetzung aus, dass Gott selbst gegen die Regression immun ist. Sogar wenn wir uns den zweifelhaften Luxus erlauben, willkürlich einen Endpunkt der Regression zu postulieren und ihm einen Namen zu geben, einfach weil wir einen solchen Endpunkt brauchen, besteht keinerlei Anlass, ihn mit den Eigenschaften auszustatten, die Gott normalerweise zugeschrieben werden: Allmacht, Allwissenheit, Güte, kreative Gestaltung, oder gar menschliche Eigenschaften wie das Erhören von Gebeten, Vergebung der Sünden und Lesen unserer innersten Gedanken. Übrigens ist es der Aufmerksamkeit der Logiker nicht entgangen, dass Allwissenheit und Allmacht unvereinbar sind. Wenn Gott allwissend ist, muss er bereits wissen, wie er mit seiner Allmacht eingreifen und den Lauf der Geschichte verändern wird. Das bedeutet aber, dass er es sich mit dem Eingriff nicht mehr anders überlegen kann, und demnach ist er nicht allmächtig. Karen Owens hat dieses geistreiche kleine Paradoxon in ebenso rührende Verse gefasst:

    Hat der allwissende Gott, der
    Die Zukunft schon kennt,
    Allmacht genug, damit sogar er
    Zukünftig auf andre Gedanken kommt?

    Doch zurück zur unendlichen Regression und der sinnlosen Anrufung Gottes zu ihrer Beendigung. Ökonomischer wäre es, sich auf eine »Urknall-Singularität« oder ein anderes, bisher unbekanntes physikalisches Konzept zu berufen. Die Bezeichnung dieses Konzepts als Gott ist im besten Fall unnütz, und im schlimmsten führt sie heimtückisch in die Irre.
    Edward Lear etwa fordert in seinem »Nonsens-Rezept für Krümelkoteletts«: »Man nehme einige Scheiben Rindfleisch, lasse sie in die kleinstmöglichen Stücke schneiden, zerkleinere sie dann nochmals und wiederhole das Ganze acht bis neun Mal.« Manchmal hat die Regression eben ein natürliches Ende. Früher fragten sich die Wissenschaftler, was geschehen würde, wenn man beispielsweise Gold in die kleinstmöglichen Stücke zerteilte. Warum sollte man dann nicht eines dieser Stücke halbieren und so ein noch kleineres Goldbröckchen erzeugen? In diesem Fall ist die Regression beim Atom eindeutig zu Ende. Das kleinstmögliche Stück Gold ist ein Atomkern aus genau 97 Protonen und einer geringfügig größeren Zahl von Neutronen, der von einem Schwarm aus 97 Elektronen begleitet ist. Würde man Gold auf der Ebene des Atoms nochmals »zerschneiden«, wäre das, was übrig bleibt, kein Gold mehr. Das Atom stellt für eine Regression nach Art der Krümelkoteletts das natürliche Ende dar. Dagegen ist durchaus nicht geklärt, ob Gott für die Regressionen des Thomas von Aquin ein natürliches Ende darstellt. Und das ist, wie wir sehen werden, noch milde ausgedrückt. Schauen wir uns nun die weiteren Positionen auf Thomas von Aquins Liste an:

    4.     Das Argument der Stufungen. Wir beobachten, dass die Dinge in der Welt unterschiedlich sind. Es gibt beispielsweise Abstufungen von Tugend oder Vollkommenheit.
        Aber solche Abstufungen können wir nur durch den Vergleich mit einem Maximum beurteilen. Menschen können sowohl gut als auch schlecht sein, also kann das Maximum des Gutseins nicht in uns liegen. Es muss ein anderes Maximum geben, das den Maßstab der Vollkommenheit bildet, und dieses Maximum nennen wir Gott.

    Das soll ein Argument sein? Ebenso gut kann man sagen: Die Menschen unterscheiden sich in der Stärke ihres Körpergeruchs, aber einen Vergleich

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