Der Gotteswahn
Sonnensystems insgesamt 147 Sterne umkreisen, 46 und wenn Sie das Buch lesen, wird die Zahl sicher schon wieder gewachsen sein. Bisher handelt es sich ausschließlich um mächtige »Jupiters«, denn nur ein Planet von der Größe des Jupiter kann die Position des Sterns so stark verändern, dass wir es mit unseren heutigen Spektroskopen nachweisen können.
Damit haben wir unsere Schätzungen über eine zuvor rätselhafte Zahl aus der Drake-Gleichung zumindest quantitativ verbessert. Das ermöglicht eine zwar immer noch bescheidene, aber doch deutliche Abschwächung unseres Agnostizismus im Zusammenhang mit dem Endergebnis der Gleichung. Was das Leben auf anderen Himmelskörpern angeht, müssen wir bisher noch Agnostiker bleiben – aber wir sind schon etwas weniger agnostisch, weil unser Unwissen sich ein wenig vermindert hat. Die Wissenschaft kann also den Agnostizismus Stück für Stück abbauen, und zwar auf eine Weise, die Thomas Huxley im Sonderfall Gottes widerwillig leugnete. Ich dagegen vertrete im Gegensatz zur höflichen Zurückhaltung Huxleys, Goulds und anderer die Ansicht, dass die Gottesfrage nicht prinzipiell und für alle Zeiten dem wissenschaftlichen Zugriff entzogen ist. Wie im Fall der Zusammensetzung von Sternen (entgegen Comte) und der Wahrscheinlichkeit, dass es in ihren Umlaufbahnen Leben gibt, kann die Wissenschaft auch in das Revier des Agnostizismus zumindest Schneisen der Wahrscheinlichkeitsaussagen schlagen.
In meiner Definition der Gotteshypothese kommen die Worte »übermenschlich« und »übernatürlich« vor. Um uns den Unterschied klarzumachen, stellen wir uns einmal vor, ein SETI-Radioteleskop würde tatsächlich aus dem Weltraum ein Signal auffangen, das eindeutig zeigt, dass wir im Universum nicht allein sind. Übrigens ist die Frage, wie ein Signal aussehen muss, damit wir von seiner intelligenten Entstehung überzeugt sein können, alles andere als trivial. Nützlich ist es, wenn man die Frage umdreht. Was sollten wir intelligenterweise tun, um extraterrestrischen Zuhörern unsere Existenz bekannt zu machen? Rhythmische Impulse reichen dafür nicht aus. Die Radioastronomin Jocelyn Bell Burnell, die 1967 den ersten Pulsar entdeckte, war von dessen exakt alle 1,33 Sekunden wiederkehrenden Signal so beeindruckt, dass sie es augenzwinkernd als LGM-Signal (für little green men – »kleine grüne Männchen«) bezeichnete. Später fand sie an einer anderen Stelle am Himmel einen zweiten Pulsar mit anderem Rhythmus, und damit war die Hypothese mit den kleinen grünen Männchen weitgehend vom Tisch.
Metronomartige Rhythmen können durch viele nicht intelligente Phänomene entstehen, von schwankenden Ästen über tropfendes Wasser und die Zeitverzögerung in selbstregulierenden Rückkopplungsschleifen bis zu rotierenden Himmelskörpern in Umlaufbahnen. Bis heute hat man in unserer Galaxis über tausend Pulsare gefunden, und man ist sich allgemein einig, dass es sich in allen Fällen um rotierende Neutronensterne handelt, die ihre Radiowellen aussenden wie ein Leuchtturm seinen rotierenden Lichtstrahl. Dass ein Stern in Zeiträumen von Sekunden um seine Achse rotieren kann, ist ein verblüffender Gedanke (man stelle sich nur vor, ein Tag auf der Erde würde nicht 24 Stunden dauern, sondern nur 1,33 Sekunden), aber verblüffend ist ohnehin alles, was wir über Neutronensterne wissen. Entscheidend ist aber etwas anderes: Wir wissen heute, dass das Phänomen der Pulsare auf einfache physikalische Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen ist und nichts mit Intelligenz zu tun hat.
Mit einem einfachen Rhythmus könnten wir unser intelligentes Dasein dem wartenden Universum also nicht bekannt machen. Als Hilfsmittel unserer Wahl werden häufig die Primzahlen genannt, denn dass diese durch einen rein physikalischen Vorgang entstehen, kann man sich nur schwer vorstellen. Aber ob wir nun Primzahlen oder etwas anderes entdecken: Stellen wir uns einmal vor, SETI würde eindeutige Belege für eine extraterrestrische Intelligenz liefern, gefolgt vielleicht von einem ungeheuren Wissens- und Weisheitstransfer nach Art der Science-Fiction-Romane A wie Andromeda von Fred Hoyle oder Kontakt von Carl Sagan. Wie sollen wir reagieren? Eine durchaus verzeihliche Reaktion wäre eine Art Anbetung, denn jede Zivilisation, die ein Signal über eine so große Entfernung aussenden kann, muss der unseren weit überlegen sein. Selbst wenn diese Zivilisation zum Zeitpunkt der Aussendung nicht weiter entwickelt wäre als
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