Der Gotteswahn
Vollkommenheit, ist ausgesprochen seltsam. Sinnvoll und wahr ist es, wenn ich sage, mein zukünftiges Haus werde, wenn es wärmegedämmt ist, besser sein, als wenn es nicht wärmegedämmt ist; aber was soll es bedeuten, wenn man sagt, es sei ein besseres Haus, wenn es existiert, und ein schlechteres, wenn es nicht existiert? 48
Ein anderer Philosoph, der Australier Douglas Gasking, machte die entscheidende Aussage mit seinem ironischen »Beweis«, dass Gott nicht existiert (eine ähnliche reductio hatte schon Anselms Zeitgenosse Gaunilo vorgeschlagen):
1. Die Erschaffung der Welt ist die größte vorstellbare Errungenschaft.
2. Der Wert einer Errungenschaft ist das Produkt (a) ihrer inneren Qualität und (b) der Fähigkeiten ihres Schöpfers.
3. Je größer die Unfähigkeit (oder Behinderung) des Schöpfers ist, desto eindrucksvoller ist die Errungenschaft.
4. Die größte Behinderung für einen Schöpfer würde darin bestehen, dass er nicht existiert.
5. Wenn wir also annehmen, dass das Universum das Produkt eines existierenden Schöpfers ist, können wir uns ein noch größeres Wesen vorstellen, nämlich eines, das alles erschaffen hat, obwohl es nicht existiert.
6. Ein existierender Gott wäre also nicht so groß, dass man sich nicht etwas noch Größeres vorstellen könnte, denn ein viel leistungsfähigerer und unglaublicherer Schöpfer wäre ein Gott, den es nicht gibt.
Also:
7. Gott existiert nicht. 49
Ich brauche wohl nicht besonders zu betonen, dass Gasking damit nicht wirklich bewiesen hat, dass Gott nicht existiert. Aber ebenso wenig bewies Anselm, dass es ihn gibt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Gasking sich absichtlich einen Scherz erlaubte. Wie er richtig erkannte, ist die Existenz oder Nichtexistenz Gottes eine so große Frage, dass man sie nicht mit »dialektischer Taschenspielerkunst« beantworten kann. Und nach meiner Überzeugung ist die fragwürdige Annahme, Existenz sei ein Zeichen für Vollkommenheit, noch nicht einmal die schlimmste Schwäche dieser Argumentation. Die Einzelheiten habe ich vergessen, aber irgendwann ärgerte ich einmal eine Versammlung von Theologen und Philosophen, indem ich das ontologische Argument umformulierte und damit bewies, dass Schweine fliegen können. Sie hielten es für nötig, auf Modallogik zurückzugreifen, um zu beweisen, dass ich unrecht hatte.
Das ontologische Argument erinnert mich wie alle A-priori- Argumente für die Existenz Gottes an den alten Mann in Point Counter Point (Kontrapunkt des Lebens) von Aldous Huxley, der einen mathematischen Beweis für die Existenz Gottes entdeckt:
Sie kennen doch die Formel m durch Null gleich Unendlich, wobei m jede positive Zahl sein kann? Nun ja, warum reduzieren wir nicht die Gleichung auf eine einfachere Form, indem wir beide Seiten mit Null multiplizieren? Dann haben wir m gleich Unendlich mal Null. Das heißt, eine positive Zahl ist das Produkt aus Null und Unendlich. Ist damit nicht bewiesen, dass das Universum von einer unendlichen Macht aus dem Nichts erschaffen wurde? Ist das nicht der Beweis?
Die berühmte Geschichte über Diderot (den Enzyklopädisten der Aufklärung) und den Schweizer Mathematiker Euler ist leider von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt. Der Legende zufolge organisierte Katharina die Große im 18. Jahrhundert eine Diskussion zwischen den beiden. Der fromme Euler schleuderte dem Atheisten Diderot im Brustton der Überzeugung seine Herausforderung entgegen: »Monsieur, (a + b n )/n = x , also existiert Gott. Ihre Antwort, bitte!«
Das Entscheidende an diesem Mythos: Diderot war angeblich kein Mathematiker und musste deshalb verwirrt den Rückzug antreten. Wie B.H. Brown jedoch 1942 in der Zeitschrift Mathematical Monthly darlegte, kannte der Franzose sich in Wirklichkeit ziemlich gut in der Mathematik aus, sodass er auf dieses »Argument der Blendung mit Wissenschaft«, wie man es nennen könnte (in diesem Fall: mit Mathematik), vermutlich nicht hereingefallen wäre. David Mills druckte in seinem Buch Atheist Universe ein Radiointerview nach, in dem er von einem Religionsvertreter befragt wurde. Dieser führte das Masse- und Energie-Erhaltungsgesetz an und unternahm damit einen seltsam unwirksamen Versuch, mit Wissenschaft zu blenden: »Wir bestehen doch alle aus Materie und Energie. Macht dieses naturwissenschaftliche Prinzip den Glauben an ein ewiges Leben nicht plausibel?« Mills antwortete geduldiger und
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