Der Gotteswahn
können wir nur anhand eines vollkommenen Maximums an vorstellbarem Körpergeruch anstellen. Es muss also einen überragenden Stinker geben, der nicht seinesgleichen hat, und den nennen wir Gott. Oder wir nehmen jede beliebige andere Vergleichsgröße und leiten daraus eine ebenso alberne Schlussfolgerung ab.
5. Das teleologische Argument , auch Gestaltungsargument genannt. Die Dinge in der Welt und insbesondere die Lebewesen sehen so aus, als wären sie gezielt gestaltet worden. Nichts, was wir kennen, sieht gestaltet aus, wenn es nicht gestaltet ist. [10] Also muss es einen Gestalter geben, und den nennen wir Gott. Thomas von Aquin selbst stellte den Vergleich mit einem Pfeil an, der sich auf ein Ziel zubewegt, aber ein modernes Flugabwehrgeschütz mit Wärmesensoren hätte sich für seine Zwecke besser geeignet.
Das Gestaltungsargument wird als einziges noch heute regelmäßig angeführt, und für viele Menschen hört es sich absolut schlagend an. Auch der junge Darwin war davon beeindruckt, als er während seiner ersten Studienjahre in Cambridge die Natural Theology von William Paley las. Pech für Paley: In späteren Jahren hob Darwin das Argument aus den Angeln. Wohl nie hat jemand auf so verheerende Weise durch kluges Nachdenken eine verbreitete Überzeugung zunichte gemacht wie Charles Darwin, als er das Gestaltungsargument zerstörte. Es kam so unerwartet. Die zentrale Aussage – »nichts, was wir kennen, sieht gestaltet aus, wenn es nicht gestaltet ist« – stimmt dank Darwin eben nicht mehr. Die Evolution durch natürliche Selektion erzeugt ein ausgezeichnetes Scheinbild einer Gestaltung, die in Komplexität und Eleganz gewaltige Höhen erreichen kann. Zu den herausragenden Beispielen für Pseudo-Gestaltung gehören Nervensysteme, die als eine ihrer bescheideneren Leistungen ein Zielsuchverhalten erzeugen. Dieses Verhalten erinnert schon bei einem winzigen Insekt eher an ein wärmegelenktes Geschoss als an einen einfachen Pfeil. Ich werde in Kapitel 4 auf das Gestaltungsargument zurückkommen.
Das ontologische Argument und andere A-priori-Argumente
Die Argumente für die Existenz Gottes lassen sich in zwei Kategorien einteilen – die A-priori- und die A-posteriori-Argu mente. Die fünf Punkte des Thomas von Aquin sind A-posteriori- Argumente, die sich auf eine Besichtigung der Welt stützen. Die Grundlage der A-priori- Argumente dagegen sind rein theoretische Überlegungen. Am berühmtesten ist der ontologische Gottesbeweis , den der heilige Anselm von Canterbury 1078 formulierte und der seither von zahlreichen Philosophen in immer neuer Form wiederholt wurde. Anselms Argument hat einen seltsamen Aspekt: Es richtete sich ursprünglich nicht an die Menschen, sondern an Gott selbst und hatte die Form eines Gebets. (Dabei würde man eigentlich meinen, dass man ein Etwas, das ein Gebet erhören kann, nicht von seiner eigenen Existenz überzeugen muss.)
Man könne sich, sagt Anselm, ein Wesen denken, das so groß ist, dass man sich nichts Größeres mehr vorstellen kann. Ein solches größtmögliches Wesen können sich sogar Atheisten ausmalen; sie würden nur bestreiten, dass es wirklich existiert. Aber, so Anselms Argumentation, ein Wesen, das in der wirklichen Welt nicht existiert, ist allein aufgrund dieser Tatsache nicht vollkommen. Damit haben wir einen Widerspruch, und siehe da, Gott muss existieren.
Ich möchte dieses kindische Argument einmal in eine angemessene Sprache übertragen, nämlich in die Sprache auf dem Spielplatz.
»Wetten, dass ich beweisen kann, dass Gott existiert?«
»Wetten, dass du das nicht kannst?«
»Also gut. Stellen wir uns doch mal das allerallerallervollkommenste Ding vor, das überhaupt möglich ist.«
»Na gut, und dann?«
»Na, gibt es dieses allerallerallervollkommenste Ding wirklich?«
»Nein, das gibt’s nur in meinem Kopf.«
»Aber wenn es Wirklichkeit wäre, müsste es ja noch vollkommener sein, denn ein wirklich vollkommenes Ding müsste doch besser sein als so ein blödes altes Ding in der Fantasie. Also habe ich bewiesen, dass es Gott gibt. Ätsch, bätsch, reingelegt! Alle Atheisten sind Toren.«
Dabei lasse ich meinen kindischen Neunmalklugen absichtlich »Toren« sagen. Denn Anselm selbst zitiert den ersten Vers von Psalm 14: »Die Toren sprechen in ihrem Herzen: ›Es ist kein Gott‹«, und besitzt die Unverfrorenheit, die Bezeichnung »Tor« (lateinisch insipiens ) anschließend für seinen hypothetischen Atheisten zu
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