Der Gotteswahn
Beschwichtigung wird in einem späteren Kapitel noch einmal eine Rolle spielen. Zunächst kehre ich jedoch zum Agnostizismus zurück und erörtere die Möglichkeit, an unserer Unwissenheit zu rütteln, indem wir unsere Unsicherheit über die Existenz oder Nichtexistenz Gottes Stück für Stück vermindern.
Kleine grüne Männchen
Angenommen, Bertrand Russells Parabel hätte nicht von einer Teekanne im Weltraum gehandelt, sondern von außerirdischem Leben , dem Gegenstand von Sagans denkwürdiger Weigerung, mit dem Bauch zu denken. Auch hier ist eine Widerlegung nicht möglich, somit Agnostizismus der einzige streng rationale Standpunkt. Aber die Hypothese gilt heute nicht mehr als unanständig. Sie riecht nicht sofort nach größter Unwahrscheinlichkeit. Man kann auf unvollständigen Belegen eine interessante Diskussion aufbauen, und wir können festhalten, welche Art Belege unsere Unsicherheit vermindern würde. Wenn unsere Regierungen Geld für teure Teleskope ausgeben würden, nur um nach Teekannen in Umlaufbahnen zu suchen, wären wir empört. Aber den finanziellen Aufwand für SETI, die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz mit Radioteleskopen, die den Himmel nach Signalen intelligenter Wesen absuchen, können wir gutheißen.
Ich habe Sagan sehr gelobt, weil er sich in der Frage nach außerirdischem Leben nicht auf sein Bauchgefühl verlassen wollte. Aber man kann nüchtern beurteilen, was wir wissen müssten, um die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen (und das tat Sagan ja auch). Zu Beginn zählt man dabei vielleicht einfach die einzelnen Punkte unseres Unwissens auf wie in der berühmten Drake-Gleichung, einer Sammlung von Wahrscheinlichkeiten, wie Paul Davies es formulierte. Sie besagt, dass man sieben Zahlen miteinander multiplizieren muss, wenn man die Zahl unabhängig voneinander entstandener Zivilisationen im Universum abschätzen will. Zu diesen sieben gehören die Gesamtzahl der Sterne, die Zahl erdähnlicher Planeten je Stern sowie die Wahrscheinlichkeiten von diesem und jenem – ich brauche nicht alle Punkte aufzuführen, denn mir geht es hier nur darum, dass sie alle unbekannt sind oder nur mit einer sehr großen Fehlerspanne abgeschätzt werden können. Multipliziert man derart viele Zahlen, die alle völlig oder nahezu unbekannt sind, ist das Produkt – die geschätzte Zahl außerirdischer Zivilisationen – mit so gewaltigen Fehlerspannen behaftet, dass Agnostizismus ganz offensichtlich ein sehr vernünftiger oder vielleicht sogar der einzig glaubwürdige Standpunkt ist.
Manche Zahlenwerte aus Drakes Gleichung sind heute schon nicht mehr ganz so unbekannt wie 1961, als er sie erstmals formulierte. Damals kannte man kein anderes Sonnensystem als unser eigenes mit seinen Planeten, die ein Zentralgestirn umkreisen, und als nahe gelegene Analogien standen nur die Trabantensysteme von Jupiter und Saturn zur Verfügung. Schätzungen für die Zahl solcher Systeme im Universum stützten sich auf theoretische Überlegungen in Verbindung mit dem eher informellen »Mittelmäßigkeitsprinzip«: dem Eindruck (gewonnen aus den unbequemen historischen Lehren eines Kopernikus, Hubble und anderer), dass der Ort, an dem wir zufällig leben, keine größeren Besonderheiten aufweisen sollte. Leider wird das Mittelmäßigkeitsprinzip aber seinerseits durch das »anthropische Prinzip« entkräftet (siehe Kapitel 4): Wäre unser Sonnensystem tatsächlich das einzige im Universum, dann können wir als Wesen, die über solche Dinge nachdenken, nirgendwo anders zu Hause sein. Aus der Tatsache unserer Existenz könnten wir dann im Rückblick schließen, dass wir an einem alles andere als durchschnittlichen Ort leben.
Heute stützen sich Schätzungen über die Häufigkeit von Sonnensystemen nicht mehr auf das Mittelmäßigkeitsprinzip, sondern sie werden durch direkte Belege untermauert. Wieder einmal schlägt das Spektroskop zu, der Fluch des Positivismus eines Comte. Planeten, die um andere Sterne kreisen, sind selbst mit den leistungsfähigsten Teleskopen nur in seltenen Fällen unmittelbar zu sehen. Aber der Standort eines Sterns wird durch die Gravitationsanziehung der Planeten beeinflusst, die ihn umkreisen, und zumindest wenn es sich dabei um große Planeten handelt, macht sich die von ihnen verursachte Doppler-Verschiebung des Spektrums im Spektroskop bemerkbar. Vorwiegend dank dieser Methode kennen wir zu der Zeit, da das vorliegende Buch entsteht, bereits 170 Planeten, die außerhalb unseres
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