Der Gotteswahn
unsere eigene, könnten wir uns aufgrund der riesigen Entfernung ausrechnen, dass sie uns um Jahrtausende voraus sein muss, wenn das Signal bei uns eintrifft (es sei denn, sie hätte sich mittlerweile selbst ausgerottet, was gar nicht so unwahrscheinlich ist).
Ob wir jemals von ihnen erfahren werden oder nicht: Es gibt höchstwahrscheinlich außerirdische Zivilisationen, die übermenschlich und auf eine Weise gottähnlich sind, wie es sich heute kein Theologe vorstellen kann. Ihre technischen Errungenschaften würden uns ebenso übernatürlich vorkommen wie unsere eigenen einem Bauern aus dem Mittelalter, den man ins 21. Jahrhundert versetzen würde. Stellen wir uns nur vor, wie Notebookcomputer, ein Handy, eine Wasserstoffbombe oder ein Jumbojet auf ihn wirken würden. Oder, wie Arthur C. Clarke es in seinem dritten Gesetz formulierte: »Jede ausreichend hoch entwickelte Technologie ist von Zauberei nicht zu unterscheiden.« Die Wunder, die unsere Technik zuwege bringt, wären den Menschen der Antike nicht weniger bemerkenswert erschienen als die Geschichten von Mose, der das Wasser teilt, oder von Jesus, der darauf wandelt. Die Außerirdischen unseres SETI-Signals würden uns wie Götter erscheinen, genau wie die Missionare, die ebenfalls für Götter gehalten wurden (und diese unverdiente Ehre bis zum Gehtnichtmehr ausnutzten), als sie mit Gewehren, Teleskopen und Streichhölzern in steinzeitlichen Kulturkreisen auftauchten und mit ihren Tabellen sogar Sonnen- und Mondfinsternisse auf die Sekunde genau voraussagen konnten.
In welchem Sinn waren die am weitesten fortgeschrittenen SETI-Außerirdischen demnach keine Götter? In welchem Sinn wären sie übermenschlich, aber nicht übernatürlich? Die Antwort lautet: in einer sehr wichtigen Hinsicht, die mit der Kernaussage dieses Buches zu tun hat. Der entscheidende Unterschied zwischen Göttern und gottähnlichen Außerirdischen liegt nicht in ihren Eigenschaften, sondern in ihrer Entstehungsgeschichte. Gebilde, die so komplex sind, dass sie intelligent sein können, sind das Produkt eines Evolutionsprozesses. Ganz gleich, wie gottähnlich sie uns erscheinen, wenn wir ihnen begegnen: Am Anfang waren sie nicht so. Science-Fiction-Autoren wie Daniel F. Galouye mit seinem Buch Counterfeit World (Welt am Draht) haben sogar die Vermutung geäußert, dass wir in einer Computersimulation leben, die von einer weit überlegenen Zivilisation programmiert wurde (und ich weiß nicht, wie man diesen Gedanken widerlegen sollte). Aber auch die Simulatoren müssen irgendwoher stammen. Die Gesetze der Wahrscheinlichkeit verbieten jede Idee, wonach sie spontan ohne einfachere Vorläufer entstanden sein könnten. Vermutlich verdanken sie ihre Existenz einer (uns vielleicht unbekannten) Form der darwinistischen Evolution, einem sich Stück für Stück aufbauenden »Kran«, aber keinem »Himmelshaken«, um Daniel Dennetts Terminologie zu benutzen. 47
Himmelshaken – zu denen auch alle Götter gehören – sind Hokuspokus. Sie leisten keine Deutungsarbeit, sondern erfordern selbst mehr Erklärungen, als sie liefern. Kräne dagegen sind Hilfsmittel, die tatsächlich etwas erklären. Und der leistungsfähigste Kran aller Zeiten ist die natürliche Selektion. Sie hat das Leben aus der urtümlichen Einfachheit auf die Schwindel erregenden Höhen der Komplexität, Schönheit und scheinbaren Gestaltung gehoben, die uns heute so verblüffen. Dies ist das beherrschende Thema im vierten Kapitel des Buches, »Warum es mit ziemlicher Sicherheit keinen Gott gibt«. Bevor ich jedoch meinen wichtigsten Grund darlege, warum ich ganz entschieden nicht an Gottes Existenz glaube, ist es meine Pflicht, die positiven Argumente für den Glauben abzuhaken, die im Laufe der Geschichte genannt wurden.
3. Argumente für die Existenz Gottes
Eine Professur für Theologie sollte in unserer Institution keinen Platz haben.
Thomas Jefferson
Argumente für die Existenz Gottes wurden jahrhundertelang von Theologen schriftlich festgehalten und von anderen ergänzt, darunter auch von Anhängern eines fehlgeleiteten »gesunden Menschenverstandes«.
Die »Beweise« des Thomas von Aquin
Die fünf »Beweise«, die Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert formulierte, beweisen überhaupt nichts. Auch wenn ich angesichts von Thomas’ Berühmtheit zögere, es zu sagen: Sie als inhaltsleer zu entlarven fällt nicht schwer. Die ersten drei sind nur verschiedene Formulierungen der gleichen Aussage, sodass man sie
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