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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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geprägt; die Physiker John Barrow und Frank Tipler entwickelten sie später in einem Buch weiter. 71 In der Regel wird das anthropische Prinzip auf den Kosmos angewandt, und auch darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Einführen möchte ich den Gedanken aber im kleineren Maßstab unseres Planeten.
    Wir befinden uns hier auf der Erde. Deshalb muss die Erde ein Planet sein, der uns hervorbringen und am Leben erhalten kann, selbst dann, wenn sie damit ein sehr ungewöhnlicher oder sogar einzigartiger Planet wäre. So ist unsere Art von Leben beispielsweise unbedingt auf flüssiges Wasser angewiesen. Auch wenn Exobiologen nach Anzeichen für außerirdisches Leben forschen, suchen sie in der Praxis das Weltall nach Anzeichen für Wasser ab. Rund um einen typischen Stern wie unsere Sonne gibt es eine sogenannte »Goldilocks-Zone«, in der es nicht zu heiß und nicht zu kalt ist, sodass dort flüssiges Wasser auf den Planeten existieren kann. In einem schmalen Bereich liegen diese Umlaufbahnen zwischen solchen, die vom Stern zu weit entfernt sind, sodass das Wasser gefriert, und solchen, die dem Stern so nahe sind, dass das Wasser verdampft.
    Vermutlich muss eine lebensfreundliche Planetenumlaufbahn auch nahezu kreisförmig sein. Auf einer stark elliptischen Bahn wie der des neu entdeckten zehnten Planeten Xena würde der Planet nur einmal alle paar (Erd)-Jahrzehnte oder -jahrhunderte kurz die Goldilocks-Zone durchqueren. Xena selbst berührt diese Zone bei seiner stärksten Annäherung an die Sonne, die alle 560 Erdjahre einmal stattfindet, überhaupt nicht. Die Temperatur auf dem Halleyschen Kometen schwankt zwischen ungefähr 47“C am sonnennächsten und minus 270“C am sonnenfernsten Punkt. Genau genommen bewegt sich auch die Erde wie alle Planeten auf einer elliptischen Umlaufbahn (sie ist der Sonne im Januar am nächsten und im Juli am weitesten von ihr entfernt [24] ), aber auch ein Kreis ist ein Spezialfall der Ellipse, und die Erdumlaufbahn kommt der Kreisform so nahe, dass sie die Goldilocks-Zone nie verlässt.
    Auch in anderer Hinsicht ist die Erde im Sonnensystem in einer besonders vorteilhaften Lage, sodass sie sich als einziger Planet für die Evolution des Lebens eignet. Der riesige Gravitationsstaubsauger Jupiter liegt genau an der richtigen Stelle und lenkt Asteroiden ab, die uns ansonsten mit tödlichen Kollisionen gefährden könnten. Der eine, relativ große Mond der Erde stabilisiert die Rotationsachse unseres Planeten 72 und begünstigt das Leben auch sonst in mehrfacher Hinsicht. Unsere Sonne ist etwas Besonderes, weil sie nicht zu einem Doppelsternsystem gehört und sich nicht mit einem Begleitstern in einer gemeinsamen Umlaufbahn befindet. Doppelsterne können zwar ebenfalls Planeten haben, aber deren Umlaufbahnen sind wahrscheinlich so chaotisch und veränderlich, dass sie die Evolution von Leben nicht unterstützen.
    Für die besondere Lebensfreundlichkeit der Erde wurden zwei Erklärungen gegeben. Nach der Theorie der Gestaltung hat Gott die Welt gemacht, unseren Planeten in die Goldilocks-Zone gesetzt und alle Details gezielt so eingerichtet, wie es für uns gut ist. Die anthropische Erklärung lautet ganz anders und hat entfernte Anklänge an den Darwinismus. Die Planeten im Universum befinden sich in ihrer großen Mehrzahl nicht in der Goldilocks-Zone ihrer jeweiligen Sterne und eignen sich darum nicht für das Leben. Auf keinem dieser Planeten gibt es Lebewesen. Aber so klein die Minderheit der Planeten auch sein mag, die für das Leben die richtigen Voraussetzungen bieten, wir müssen uns zwangsläufig auf einem davon befinden, denn nur deshalb sind wir da und können darüber nachdenken. –
Nebenbei bemerkt ist es eigentlich seltsam, dass das anthropische Prinzip bei den Religionsvertretern so beliebt ist. Aus einem völlig widersinnigen Grund glauben sie, es würde für ihre Haltung sprechen. Das Gegenteil ist richtig. Das anthropische Prinzip ist wie die natürliche Selektion eine Alternative zur Gestaltungshypothese. Es liefert eine vernünftige Erklärung für die Tatsache, dass wir uns in einer Situation befinden, die unser Dasein ermöglicht, und diese Erklärung kommt ohne göttliche Gestaltung aus. Die Verwirrung im religiösen Denken kommt meiner Meinung nach dadurch zustande, dass das anthropische Prinzip immer nur im Zusammenhang mit dem Problem erwähnt wird, das es löst – der Tatsache, dass wir uns an einem lebensfreundlichen Ort befinden. Was dem religiösen Denken

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