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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Der »Automat« selbst besteht dabei aus einer relativ geringen Zahl von Proteinmolekülen, von denen jedes einzelne in Größe und Komplexität mit den durchgeschleusten Proteinmolekülen vergleichbar ist. Interessanterweise ähneln sich diese Molekülautomaten häufig auch bei Bakterienarten, die ansonsten nur entfernt verwandt sind. Die Gene zu ihrer Herstellung wurden vermutlich durch »Kopieren und Einfügen« von anderen Bakterien übernommen: Diesen Vorgang beherrschen Bakterien erstaunlich gut, und er ist selbst wiederum ein faszinierendes Thema. Aber ich darf mich nicht verzetteln …
    Die Proteinmoleküle, die als Bausteine des TTSS dienen, ähneln stark den Bestandteilen des Flagellenmotors. Für den Evolutionsforscher ist klar, dass die TTSS-Proteine während der Evolution des Flagellenmotors für eine neue, aber nicht gänzlich andere Funktion zweckentfremdet wurden. Das TTSS schleust Moleküle durch die Zellwand, und wie nicht anders zu erwarten, bedient es sich dabei in rudimentärer Form eines ganz ähnlichen Prinzips wie der Flagellenmotor, der die Moleküle immer wieder um eine Achse rotieren lässt. Offensichtlich waren entscheidende Bestandteile des Flagellenmotors bereits vorhanden und funktionsfähig, bevor sich der Motor selbst entwickelte. Die Zweckentfremdung vorhandener Mechanismen ist ein naheliegender Weg, wie ein Apparat von scheinbar nicht reduzierbarer Komplexität den Gipfel des Unwahrscheinlichen erklimmen kann.
    Natürlich sind hier noch viele weitere Forschungsarbeiten notwendig, und ich habe keinen Zweifel, dass man sie in Angriff nehmen wird. Aber solche Arbeiten würden nicht getan, wenn die Wissenschaftler sich faul mit einem Automatismus wie der Theorie des »Intelligent Design« zufriedengeben würden. Ein imaginärer Vertreter des »Intelligent Design« könnte den Wissenschaftlern ungefähr Folgendes sagen: »Wenn ihr nicht versteht, wie etwas funktioniert – macht euch nichts draus. Gebt einfach auf und sagt, dass Gott es gemacht hat. Ihr wisst nicht, wie ein Nervenimpuls zustande kommt? Gut! Ihr versteht nicht, wie Erinnerungen im Gehirn gespeichert werden? Ausgezeichnet! Die Photosynthese ist ein atemberaubend komplexer Prozess? Hervorragend! Bitte arbeitet nicht weiter an solchen Fragen! Gebt einfach auf und beruft euch auf Gott! Lieber Wissenschaftler, steck bitte keine Arbeit in deine Fragestellungen! Gib uns einfach deine Rätsel, die können wir gut gebrauchen. Verspiel nicht dein kostbares Unwissen, indem du es durch Forschung verminderst. Wir brauchen diese prachtvollen Lücken – als letzte Zuflucht für Gott.« Der heilige Augustinus sprach es ganz offen aus:

    Es gibt noch eine weitere Art der Versuchung, die noch stärker mit Gefahren verbunden ist. Es ist die Krankheit der Neugier. Sie treibt uns dazu, dass wir die Geheimnisse der Natur aufdecken wollen, jene Geheimnisse, die außerhalb unseres Verständnisses liegen, die uns nichts nützen und die zu kennen wir uns nicht wünschen sollten. 67

    Ein anderes Lieblingsbeispiel von Behe für angeblich nicht reduzierbare Komplexität ist das Immunsystem. Erteilen wir dazu doch einfach Richter Jones das Wort:

    Im Kreuzverhör wurde Professor Behe nach seiner 1996 gemachten Behauptung gefragt, wonach die Wissenschaft nie in der Lage sein werde, das Immunsystem mit der Evolution zu erklären. Ihm wurden achtundfünfzig wissenschaftlich begutachtete Artikel, neun Bücher und mehrere Kapitel aus Lehrbüchern der Immunologie über die Evolution des Immunsystems vorgelegt; dennoch beharrte er einfach darauf, dies sei kein hinreichender Beleg für die Evolution, und es sei nicht »gut genug«.

    Im Kreuzverhör, das Eric Rothschild als Chefanwalt der Kläger führte, musste Behe dann allerdings zugeben, dass er die meisten der achtundfünfzig wissenschaftlich begutachteten Fachartikel nicht gelesen hatte. Das ist eigentlich nicht verwunderlich, denn Immunologie ist harte Arbeit. Weniger verzeihlich ist, dass Behe solche Arbeiten als »nicht fruchtbar« abtat. Sie sind sicher nicht fruchtbar, wenn man das Ziel hat, Propaganda bei leichtgläubigen Laien und Politikern zu machen, statt wichtige Erkenntnisse über die Wirklichkeit zu gewinnen. Nachdem Rothschild sich Behes Ausführungen angehört hatte, fasste er zusammen, was jeder aufrichtige Zuhörer im Gerichtssaal empfunden haben muss:

    Glücklicherweise gibt es Wissenschaftler, die sich um Antworten auf die Frage nach dem Ursprung des Immunsystems bemühen. […] Es

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