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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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hinter der Reporterin. Sie befand sich nur ein paar Kilometer südlich von Atami an der Nationalstraße 135. Da sie als Kind häufig bei ihren Großeltern in Atami gewesen war, kannte Saeko die Gegend gut.
    Was war dort passiert?
    Saeko griff zur Fernbedienung und stellte den Ton lauter.
    Während der Textprozessor träge eine Seite nach der anderen ausspuckte, hatte Hashiba reichlich Zeit, das Manuskript zu lesen. Als die siebzehnte Seite ausgedruckt war, legte er das nächste weiße Blatt ein und erhob sich mit dem Stapel Blätter, die er fertig gelesen hatte.
    Saeko war noch nicht ins Arbeitszimmer zurückgekehrt, nachdem sie es verlassen hatte, um Kaffee zu kochen. Wenn das Frühstück fertig war, sollte er vielleicht einfach ins Esszimmer kommen. Wichtiger war ihm jedoch, Saeko schnellstmöglich zu sagen, worum es in dem Manuskript ging. Shinichiro war dabei gewesen, ein Buch über das mysteriöse gleichzeitige Verschwinden mehrerer Menschen zu schreiben.
    Im Laufe der Geschichte hatte es viele solcher ungelösten Fälle gegeben. Im siebten Jahrhundert kam es zum rätselhaften Verschwinden zahlreicher Angehöriger der Mayas, die im heutigen Mexiko, Guatemala und Honduras lebten. Die genaue Anzahl der Verschollenen war nicht bekannt. 1590 verschwanden einhundertzwanzig englische Siedler von der Insel Roanoke südlich von Norfolk in Nordamerika. 1711, während des Spanischen Erbfolgekriegs, verschwand eine komplette Truppe von viertausend Mann auf einem Feldzug in den Pyrenäen, obwohl die Soldaten sich in dem Gebiet auskannten. 1923 verschwanden an einem einzigen Tag alle 605 Bewohner der Siedlung Joya Verde am Amazonas. 1980 waren viertausend Einwohner aus ihren Dörfern in Zentralafrika verschwunden. Damit einhergehend wurde in dem Gebiet ein unerklärlicher Rückgang der Populationen wild lebender Tiere beobachtet.
    Weitere Beispiele waren das mysteriöse Geisterschiff Mary Celeste und das plötzliche Verschwinden von Flugzeugen und Schiffen im Gebiet zwischen Miami, Puerto Rico und Bermuda, dem sogenannten Bermudadreieck.
    Also hatte es weltweit Fälle von Massenverschwinden gegeben, bei denen mehrere Dutzend bis zu ein paar Tausend Menschen gleichzeitig betroffen waren. In all diesen Fällen wurde nie eine einzige Leiche gefunden, und es gab keinerlei Anzeichen von Auseinandersetzungen oder Gewaltanwendung.
    Das Manuskript schien eine Untersuchung dieser historischen Fälle zu sein, außerdem der Versuch einer persönlichen Erklärung der rätselhaften Vorkommnisse. Mit anderen Worten: Shinichiro hatte an einem Buch über ungelöste Fälle von Massenverschwinden gearbeitet, als er selbst auf mysteriöse Weise verschwand. Konnte das purer Zufall sein?
    Hashiba ging zum Esszimmer hinüber. Er musste Saeko davon erzählen.
    Er fand sie vor dem Fernseher.
    »Ich habe herausgefunden, woran dein Vater gearbeitet hat«, verkündete er und wedelte mit den Blättern vor Saeko herum, die teilnahmslos vor dem Bildschirm stand.
    Saeko gab keine Antwort. Sie starrte geistesabwesend auf den Fernseher und sah völlig perplex aus. Hashiba wandte sich gleichfalls dem Bildschirm zu und folgte Saekos Blick.
    Eine Reporterin sprach mit schriller Stimme in das M ikrofon, das sie mit einer Hand umklammerte. »Gestern Nachmittag um zwei Uhr wurden beinahe alle Besucher eines Kräutergartens drei Kilometer südlich von Atami als vermisst gemeldet. Die genaue Anzahl der Besucher ist derzeit noch nicht bekannt, doch es handelt sich schätzungsweise um einhundert Personen.«
    Das Surren der Helikopter verstärkte sich noch, vielleicht, weil sie höher stiegen. Die Reporterin zog wegen der Kälte die Schultern hoch, während hinter ihr ein paar Jungen aufgeregt vor der Kamera herumfuchtelten und das Friedenszeichen machten.
    Die Miene der Reporterin war angespannt, doch sie erfasste nicht ganz den Ernst der Lage. Man sah ihr an, dass sie bewusst versuchte, die groteske Situation zu dramatisieren, um Interesse zu wecken. Sie glaubte jedoch nicht wirklich, dass einhundert Leute einfach vom Erdboden verschwunden waren. Das musste ein Irrtum sein. Vielleicht hatte irgendeine religiöse Bewegung das Ganze inszeniert, um Aufsehen zu erregen. Schon bald würde sich alles aufklären…
    Doch Hashiba und Saeko wussten es besser. Intuitiv dachten sie das Gleiche: Das Massenverschwinden in Atami war das letzte und größte in einer Reihe mysteriöser Fälle.
    Schließlich hatten sie am Abend zuvor in Kitazawas Büro die Reliefkarte angeschaut.

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