Der Graben: Thriller (German Edition)
todsichere Gefühl, dass dies kein gutes Zeichen für das Universum war.
»Ist es möglich, dass später wieder willkürliche Zahlenfolgen erscheinen?« Vielleicht war das Ganze nur ein erstaunlicher Zufall. Vielleicht kehrte einfach alles wieder zur Normalität zurück.
»Das haben die anderen auch gedacht; deshalb haben sie den Computer weiterrechnen lassen. Aber die Nullen gingen immer weiter, und es kamen keine willkürlichen Zahlenfolgen mehr. An dem Punkt begannen sie wirklich unruhig zu werden. Das war kein Computerproblem. Sie ließen das Gerät von Fachleuten untersuchen, die nichts finden konnten. Cyril sagte, als die Ergebnisse der Objektivitätsprüfungen zurückgekommen wären und bestätigt hätten, dass die Nullen wirklich real sind, hätte er angefangen zu zittern.
Das Gleiche ist überall passiert, global. Computer auf der ganzen Welt kommen zum gleichen Ergebnis, sobald sie 500 Milliarden Dezimalstellen berechnet haben. Überall dieselbe Folge von Nullen.«
Saeko versuchte einzuschätzen, was das bedeutete, doch sie kam immer wieder auf die gleiche Grundfrage zurück. War Pi nicht nur ein Wert? Hatte die Veränderung irgendeine Auswirkung auf die Alltagswelt?
Doch sie hütete sich, diese Frage zu stellen. Aufgrund dessen, was ihr Vater ihr über Mathe und Physik beigebracht hatte, wusste sie die Antwort schon. Pi spielte eine entscheidende Rolle in einer Reihe von Gleichungen, die verschiedene Phänomene des Universums beschrieben. Wenn dieser Wert sich veränderte, musste sich das zwangsläufig auf die reale Welt auswirken. Wenn Zahlen sich verschoben, mathematische Lehrsätze nicht mehr gültig waren, bedeutete dies nichts Geringeres als den Zusammenbruch der Gesetze der Physik. Obwohl ihr das klar war, fühlte es sich unwirklich an. Sie hatte keinen Maßstab, keine Fakten, die ihr halfen, das Ganze einzuordnen.
Ihr lief es eiskalt über den Rücken, als sie sich der unheilvollen Bedrohung allmählich voll bewusst wurde. Die Erkenntnis war so gewaltig, dass Saeko sie gar nicht auf einmal verdauen konnte. Nach und nach reagierte auch ihr Körper auf die Informationen, die ihr Kopf bereits verarbeitet hatte, und sie spürte, wie die Härchen an ihren Armen sich sträubten, als die Angst ihr tief ins Bewusstsein drang.
Isogai schloss den Deckel seines Laptops und verstaute es wieder in seiner Tasche. Dann stiegen sie weiter die Stufen hinauf. Eine Weile sprach keiner von ihnen, sie konzentrierten sich nur aufs Gehen. Ein Windstoß fegte über den Weg, eigenartig warm für diese Jahreszeit. Der Wind legte sich so rasch, wie er aufgekommen war, sodass die Zweige der Bäume sich nicht mehr regten.
Von oben war ein leises Geräusch zu hören, wie bröckelnde Erde. Die hoch stehende Sonne begann allmählich gen Westen zu sinken. In den letzten Tagen schien durch die trockene Luft das Sonnenlicht stärker gewesen zu sein, gleißend hell und blendend. Heute dagegen wirkte es seltsam gedämpft, auch wenn es immer noch zu hell war, um direkt in die Sonne zu schauen. Mit einem diffusen orange- und purpurroten Schimmer, der irgendwie anders war als der warme Schein einer Morgen- oder Abendsonne, brach es durch das Blätterdach.
Saeko verfolgte den Weg des Lichts zwischen den Bäumen bis zu einem Punkt, an dem es dunkler zu werden schien; sie blieb wie angewurzelt stehen, als der riesige Krater vor ihnen auftauchte. Isogai ging noch ein paar Schritte weiter und blieb erst am Rand des Kraters stehen.
Saeko stand sprachlos da; sie konnte diese Veränderung in der vertrauten Landschaft überhaupt nicht einordnen. Der stumm gähnende Krater verströmte einen Geruch nach frisch ausgehobener Erde, der einem den Atem nahm. Von der Stelle, an der Saeko stand, sah das klaffende Loch genau aus wie eine Null.
Ihr entfuhr ein leiser Aufschrei; Isogai dagegen reagierte gelassener. Da er noch nie in den Kräutergärten gewesen war, kam ihm das Loch einfach wie der Anfang einer großen unterirdischen Baustelle vor.
Hashiba hatte ein Viertel des Kraters umrundet. Kagayama stand mit einem Fuß an einen Busch gestützt und spähte über den Rand. Als Saeko und Isogai um die Ecke kamen, winkten sie die beiden zu sich und fühlten sich dabei merkwürdig aufgekratzt.
Saeko trat vor, um Isogai vorzustellen, doch sie brachte keinen Ton heraus. Glücklicherweise stellte Isogai sich selbst vor und schüttelte Kagayama und Hashiba die Hand – ein flüchtiger Händedruck für Kagayama, ein herzlicherer für Hashiba. Hashibas
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