Der Graben: Thriller (German Edition)
Einfach ausgedrückt können Sie sich vorstellen, dass ein Teilchen einen Wert von plus eins hat, ein Antiteilchen einen Wert von minus eins. Wenn man die beiden zusammenbringt, heben sie einander auf, und die Tafel wird ausgewischt, man erhält Null. Mit anderen Worten, wenn sie sich treffen, hören sie auf zu existieren.«
»Und die Existenz dieser Antiteilchen ist tatsächlich bewiesen?«, fragte Kagayama stirnrunzelnd.
»Nicht nur bewiesen. Sie werden sogar hergestellt, mit einem hochenergetischen Teilchenbeschleuniger im CERN -Labor in Genf.« Isogai erklärte, wie das Gerät funktionierte und wie die Teilchen voneinander getrennt gehalten wurden. Die anderen lauschten. »Die Teilchenbeschleuniger sind aber nicht die einzigen Orte, an denen Antiteilchen produziert werden. Sie bilden sich auch ganz natürlich im Weltraum. Ab und zu treten von diesen im Weltraum entstandenen Antiteilchen einige in unsere Atmosphäre ein. Wenn sie die Erdoberfläche auf einem komplizierten Weg erreichen würden, bei dem elektromagnetische Wellen und die innere Struktur der Erde beteiligt wären, dann könnte es sein, dass sie für das Verschwinden von Leuten verantwortlich wären. Oder für die Entstehung eines riesigen Kraters.
Aber denken wir mal kurz darüber nach. Wenn dieser Krater tatsächlich durch das Verschwinden einer Masse von Erdboden entstanden ist… Sie sehen wahrscheinlich, was ich meinte, als ich sagte, dass wir alle ein Problem haben. Sagen wir, die 500.000 Tonnen Erde hier wären durch eine Kollision mit Antimaterie verwandelt worden. Das Nebenprodukt dieses Prozesses wäre die unmittelbare und heftige Freisetzung einer enormen Energiemenge. Wir reden hier von einer zerstörerischen Kraft, die der von etwa 500 Milliarden Atomsprengköpfen entspricht. Mit anderen Worten: Eine größere Energiemenge als die der gesamten Atomwaffen der Welt wäre auf einmal detoniert.«
Die schreckliche Zerstörungskraft, die dabei die Erde zerreißen würde, war unvorstellbar, wahrhaft die Hölle auf Erden. Der Planet würde buchstäblich in Fetzen gerissen.
»Wenn das der Fall gewesen wäre, würden wir allerdings wohl kaum hier stehen. In dem Moment, in dem dieser Krater entstanden ist, hätte die Welt aufgehört zu existieren.«
Doch die Welt existierte noch, so viel stand fest. Saeko stieß unruhig mit dem Fuß gegen die Erde um sie herum. Der Boden war weich und warm.
»Sie sagen also, der Krater ist auf irgendeine andere Weise entstanden, ja?« Kagayamas Stimme zitterte leicht, als wagte er dies nicht zu hoffen.
»Nicht unbedingt«, warnte Isogai. »Vielleicht ist die Welt zerstört worden. Vielleicht haben wir es nur noch nicht bemerkt.«
Saeko wusste, dass dies unsicheres Gelände war. Wenn man einmal begann, Zweifel an der Stabilität des Universums zu hegen, konnte selbst das Gefühl des festen Bodens unter den Füßen diese nicht zerstreuen. Streng genommen war es unmöglich, wirklich zu beweisen, dass das Universum noch existierte.
Ein heftiger Windstoß fegte über den Schrein hinweg. Saeko hörte das hölzerne Klappern von Hunderten von Wunschbrettern, und sie alle drehten sich nach diesem Geräusch um. Das Torii hing immer noch über der Kante, doch noch während sie hinsahen, sackte es ächzend nach vorn, zuerst langsam, dann immer schneller, und rutschte unaufhaltsam in den Abgrund, als der Boden unter ihm nachgab.
Irgendwie wirkte das Bild des roten Tores, das über die braune Erde rutschte, wie ein Vorzeichen. Kagayama wich ein paar Schritte zurück, doch Saeko und Isogai traten vor und schauten dem Torii nach, bis es auf dem Grund des Kraters liegen blieb.
Dann war alles ruhig. Das Tor lag umgedreht und reglos auf dem Grund des Kraters. Hin und wieder unterbrach ein Vogelruf von oben die Stille. Für Saeko verstärkten die Geräusche nur noch das Gefühl, dass die Natur ein Rätsel war. Obwohl es allmählich spät wurde, schien der Himmel heller zu werden.
43
Nachdem Hosokawa alle Aufnahmen im Kasten hatte, die er haben wollte, beschloss die Gruppe, sich auf den Weg zurück zum Hotel zu machen. Als sie unten am Tor ankamen und am Restaurant vorbeigingen, nahm Isogai Hashiba beiseite.
»Können wir kurz reden?«
»Worum geht es?«
»Habe ich im Hotel ein eigenes Zimmer?«
»Natürlich.«
Isogai wirkte verlegen. Ganz anders als zuvor schien er Mühe zu haben, einen zusammenhängenden Satz zustande zu bringen. »Wenn es nicht zu viele Umstände macht… Äh, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn
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