Der Graben: Thriller (German Edition)
eines Sternenhimmels erschien auf dem Monitor. Soweit Hashiba es erkennen konnte, sah es normal aus.
»Was Sie hier sehen, ist ein Bild vom Zentrum der Milchstraße, mit Blick in Richtung Sternbild des Schützen.«
Beim Wort Milchstraße musste Hashiba immer an den Sommer und das Tanabata-Fest denken, an dem Hikoboshi und Orihime im Reich der Sterne wieder vereint werden. Die Milchstraße war eine Bühne für romantische Träumereien, eine himmlische Lichtspur.
Dabei war unser Sonnensystem nur ein Bruchteil der Milchstraßengalaxie, die aus über 200 Milliarden Sternen bestand und wie eine Untertasse mit verdicktem Zentrum geformt war. Ihr Durchmesser betrug etwa 100.000 Lichtjahre, und die Dicke des Zentrums etwa 15.000 Lichtjahre. An den Rändern, wo das Sonnensystem sich befand, war die Galaxie 5.000 Lichtjahre stark. Eine von der Erde aus aufgenommene Fotografie zeigte die Verdickung im Zentrum der Galaxie als flache Scheibe, in der unzählige Sterne einander überlagerten. Dieser Dichte von Sternen verdankte die Galaxie den Namen Milchstraße – ein wahrer Fluss aus Sternen.
Isogai vergrößerte eine Partie des Fotos und startete eine Diashow von Bildern, die laut seiner Erklärung jeweils im Abstand von einer Stunde aufgenommen worden waren. Nach vierzehn Bildern hielt er die Diashow an.
»Was halten Sie davon?«
Hosokawa antwortete als Erster. »Es wird mit der Zeit immer dunkler?«
Hashiba lehnte sich zurück, beeindruckt vom Blick fürs Detail, den sein Kameramann bewies. Tatsächlich schienen die Bilder irgendwie dunkler zu werden. Es war, als ob auf jedem weiteren Bild das Licht der Milchstraße schwächer würde.
Isogai nickte schweigend. Dann vergrößerte er das Bild noch mehr und spielte die vierzehn Dias erneut ab. Diesmal war klar, was er ihnen zeigen wollte.
»Die Sterne verschwinden.« Katos Stimme war kaum ein Flüstern.
Ein Stern war erloschen, dann noch einer und ein dritter. Das Phänomen war deutlich zu beobachten. Das war der Grund, warum die Bilder immer dunkler wirkten. Isogai schloss das Fenster und erklärte weiter.
»Wie Sie sehen konnten, sind bereits etliche Sterne verschwunden, und zwar rings um das Gebiet der Milchstraße, das als Bulge – also ›Verdickung‹ – bekannt ist, ein Gebiet, das etwa 26.000 Lichtjahre entfernt ist. Das allein ist noch nichts Ungewöhnliches, Sterne werden geboren, und Sterne sterben. Wir haben schon den Tod vieler Sterne beobachtet und aufgezeichnet, die einfach ihren eigenen Brennstoff verbraucht hatten. Unsere Sonne ist ein Stern, und in 5 Milliarden Jahren wird auch sie ausgehen. Der entscheidende Unterschied hier ist die Art und Weise, wie die Sterne verschwinden.
Sterne sterben im Wesentlichen auf zwei Arten. Leichte Sterne, das heißt Sterne, die bis zu dreimal so groß sind wie unsere Sonne, werden zunächst zu Roten Riesen. Dann werden sie zu Weißen Zwergen und erlöschen langsam und in aller Ruhe, ohne Tamtam.
Schwere Sterne, die viel größer sind als unsere Sonne, werden dagegen nach dem Stadium des Roten Riesen zur Supernova und flammen in einer riesigen, spektakulären Explosion auf. Solche Ereignisse konnten wir von der Erde aus verfolgen, wenn wir das plötzliche Verschwinden von Licht beobachteten, das uns bisher konstant erreicht hatte. Im Falle einer Supernova würden wir die Freisetzung von Röntgenstrahlen, Gammastrahlen und anderer Formen elektromagnetischer Energie erwarten. Mit anderen Worten, mithilfe von Radioteleskopen können wir die Art des Todes eines Sterns bestimmen. Wir können bei jedem beliebigen Stern ermitteln, auf welche Weise er dahingeschieden ist.
Und hier liegt das Problem. Als das Teleskop auf Hawaii versuchte, die elektromagnetischen Strahlungen der verschwundenen Sterne aufzuzeichnen, hat es nichts gefunden. Lassen Sie mich das unterstreichen: Rings um die verschwundenen Sterne waren keinerlei Strahlungen zu finden. Mit anderen Worten: Niemand konnte den Todesschrei dieser Sterne hören.« Isogai sah aus, als lauschte er auf etwas; dann verstummte er.
»Diese Sterne sind also gestorben, aber nicht so, wie Sie es erwarten würden?«
»Ganz genau.«
»Wie denn dann?« Hashiba musste wissen, wie das Verschwinden der Sterne abgelaufen war.
»Ich kann nur sagen, dass sie verschwunden sind. Ohne Aufhebens, ganz plötzlich. Anders kann man es nicht erklären.«
Die Bilder auf dem Computer hatten gezeigt, wie mehrere Sterne verschwanden, als ob die Lichter der Milchstraße ausgeschaltet würden,
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