Der Graben: Thriller (German Edition)
doch er ahnte, dass er für das Zusammensetzen der Puzzleteile von entscheidender Bedeutung sein würde.
Chris rief noch ein paar Seiten auf, diesmal aus einer anderen Fachzeitschrift, den Physical Review Letters . Isogai erklärte, in der Zeitschrift erschienen Zusammenfassungen neuer Aufsätze. Ihre Hoffnung war, hier eine Kurzfassung von Jeffreys Forschungen zu finden. Nachdem er den Inhalt der Aufsätze aufgerufen hatte, hörte Chris auf zu tippen und nahm seine Brille ab. Er beugte sich vor und machte sich daran, den kurzen Text auf dem Bildschirm zu lesen. Als müsse er sich zwingen, sich zu konzentrieren, blinzelte er während der halben Minute, die er zum Lesen benötigte, immer wieder. Unterdessen machte sich ein Ausdruck des Erstaunens auf seinem Gesicht breit. Isogai stand mit schräg gelegtem Kopf neben ihm; er war ganz blass. Als er las, wich die Farbe noch mehr aus seinem Gesicht.
Endlich schloss Chris die Augen. Er lehnte sich zurück und faltete die Hände wie zum Gebet. Dann zog er Isogai an sich und verbarg das Gesicht an dessen Brust. Seine Schultern bebten; nach einer Weile war klar, dass er weinte. Sein vernehmliches Schluchzen erfüllte den Raum. Der Anblick eines erwachsenen Mannes, der weinte, schien Kato und Hosokawa irgendwie peinlich zu berühren. Kagayama saß da und starrte auf seine Hände. Die beiden Wissenschaftler mussten gleichzeitig zu demselben Schluss gekommen sein, als funktionierten ihre Gehirne im Gleichklang.
»Ich sage euch, das sind irgendwelche Außerirdischen, die uns mit einer unbekannten Waffe angreifen«, fing Kagayama wieder an. Er klang erregt.
Hashiba wollte schon antworten, doch Isogai kam ihm zuvor. »Schluss damit. Ufos und Außerirdische gibt es nicht; das sind alles nur Hirngespinste. Es kann allerdings sein, dass wir uns noch wünschen werden, Kagayama hätte recht. Verglichen mit dem, was wir erleben, wäre die Invasion von Außerirdischen oder der Einschlag eines Meteors gar nichts. Es ist schwer zu erklären, welche Auswirkungen das eventuell Bevorstehende auf uns haben könnte, auf das Sonnensystem – vielleicht auf das gesamte Universum. Im Moment wünschte ich wirklich, es wäre nur eine Invasion von Außerirdischen.« Während er sprach, fuhr Isogai fort, Chris zu trösten, hatte die linke Hand um seine Schultern gelegt und strich ihm mit der rechten übers Haar.
Hashiba atmete tief durch und wappnete sich für die Antwort. »Sagen Sie es uns, Isogai. Was geht hier vor?«
Isogai wollte schon antworten, doch plötzlich beugte er sich über die Tastatur und tippte kurz etwas. »Augenblick mal, es ist gerade eine neue E-Mail gekommen… Von Cyril Burt in den USA .« Isogai vergrößerte das Fenster auf Bildschirmgröße. Die E-Mail bestand aus nur einer Zeile, schlicht und konkret, eine Aufforderung an alle im Raum:
»Schaltet sofort das Fernsehen an.«
Dies war auch für Hashiba verständlich, und er forderte Hosokawa auf, die Anweisung zu befolgen. Der Kameramann lehnte sich hinüber und schaltete das Gerät ein. Es war kurz nach acht Uhr, die Hauptsendezeit. Ein junger Showmaster erschien auf dem Bildschirm und präsentierte irgendeine Variety-Show, und das Studiopublikum lachte sich schief über sein Programm. Das Geräusch des Gelächters, das aus dem Fernseher drang, wirkte unpassend und stand in krassem Gegensatz zu der angespannten Atmosphäre im Raum, ja, es verstärkte sogar noch die Nervosität. Hashiba dachte über seine frühere Ansicht nach, dass Zahlen keinen greifbaren Effekt auf die reale Welt hätten. Doch die Witzchen im Fernsehen schienen schlechter zu sein denn je – vielleicht war das der Effekt.
Hosokawa griff zur Fernbedienung und zappte sich durch die Programme, in der Hoffnung, die Sendung zu finden, die sie anschauen sollten. Er schaltete auf einen Nachrichtensender um, und alle verstummten. Das Geräusch von Hubschraubern dröhnte aus den Lautsprechern. Eine japanische Reporterin versuchte aufgeregt, den Lärm zu übertönen. Das Bild zeigte düsteres Zwielicht, und es war nahezu unmöglich, Einzelheiten zu erkennen.
Die Stimme der Reporterin beschrieb die Ursache der Aufregung:
Es ist nach drei Uhr Ortszeit hier in Kalifornien. Ich weiß nicht, ob Sie es erkennen können… diesen gigantischen Riss in der Erde… Er scheint sich von Bakersfield im Nordwesten bis unmittelbar südlich von San Francisco zu erstrecken. Der Spalt ist plötzlich erschienen, wo bis gestern nur Wüste war. Die absolute Lautlosigkeit, mit
Weitere Kostenlose Bücher