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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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eigenen Recherchen eine Stunde lang dort umgesehen hatte. Damals war Seiji Fujimura bei ihr gewesen. Das zweite Mal war erst einen Monat her, als sie mit Hashiba und dem Filmteam gekommen war. Sie hatten den ganzen Nachmittag hier gefilmt.
    Jetzt war sie allein hier. Es war schon nach 20 Uhr, und das Wohngebiet lag im Dunkeln. Es war das erste Mal, dass sie den Ort im Dunkeln sah; die Atmosphäre war ganz anders. Das Haus stand auf halber Höhe an einem Hang. Saeko gelangte zur Auffahrt und schaute zu dem Gebäude hinauf; vielleicht bildete sie es sich nur ein, doch es sah ein wenig schief aus.
    Das Haus war das letzte an dem Hang. Saeko schaute zum nächsten Haus weiter unten, das etwas versetzt stand. Lichtstreifen fielen durch die Vorhänge und warfen schwache helle Flecken an den Hang, doch ansonsten gab es kein sichtbares Lebenszeichen. Dennoch stellte sie fest, dass sie ohne Taschenlampe weitergehen konnte. Die Dunkelheit rings um das Haus war irgendwie seltsam, nicht wie eine Morgen- oder Abenddämmerung – eher von einem schwachen, bläulich getönten Schimmer durchdrungen. Saeko verrenkte den Hals, um durch eine Lücke zwischen den Bäumen den Himmel sehen zu können und die Quelle dieses Schimmers auszumachen; dabei ging sie weiter zum Haus hinauf.
    Der Schein schien von zwei feinen Streifen am Himmel auszugehen, einem weißen, dessen Schimmer von den Wolken zurückgeworfen wurde, und einem grünlichen, der aus einer anderen Richtung kam und in geringer Höhe quer über dem Himmel verlief. Anders als bei dem nordlichtähnlichen Phänomen in Atami bildete dieses grüne Licht Falten und fiel in Schleiern herab. In den Wolkenlücken konnte Saeko einige Sterne erkennen, und darunter die Silhouetten von Ästen, die sich im Wind bewegten und so tief hingen, dass sie fast ihr Haar streiften. Sie konnte nur einen kleinen Ausschnitt des Himmels sehen, doch sie hatte das Gefühl, dass dort oben weniger Sterne waren, als sie in Erinnerung hatte. Sie war sich sicher, dass der Eindruck nicht nur von den Lichtstreifen herrührte. Irgendwie sah es tatsächlich so aus, als wären weniger Sterne da.
    Saeko schaute erneut den Hang hinunter, in Richtung des Miwa-Sees in der Ferne. Der Schein des Polarlichts und der Sterne verschmolz miteinander, sodass der Eindruck entstand, man sähe ein ganz neues, eigenes Universum. Sie ließ den Blick wieder zum Haus schweifen, das dunkel über ihr aufragte. Früher war Seiji ab und zu hergekommen, um zu lüften, doch ohne seinen Hausmeister war es nun ganz verlassen. Saeko kramte den Schlüssel hervor, den Seiji ihr gegeben hatte, und schloss die Haustür auf. Sie trat über die Schwelle und tastete an der Wand zu ihrer Linken nach dem Lichtschalter. Zu ihrer Erleichterung fand sie ihn rasch, und als sie ihn drückte, flammten mit einem britzelnden Geräusch die Lampen im Flur auf. Der Geruch im Haus ließ Saeko die Nase rümpfen. Er war unangenehm, aber anders als der penetrante Geruch, der ihr bei ihrem letzten Besuch entgegengeschlagen war. Die trockene Jahreszeit hatte vermutlich geholfen, den modrigen Geruch zu vertreiben. Sämtliche zurückgebliebenen Lebensmittel mussten ebenfalls längst verrottet sein. Jedenfalls war der Geruch weniger streng, aus welchem Grund auch immer.
    Sie schloss die Tür hinter sich und setzte sich, um die Stiefel auszuziehen, bevor sie weiter hineinging. Ihre Finger fühlten sich seltsam taub an, sodass sie länger brauchte als gewöhnlich. Dabei wurde sie die ganze Zeit das Gefühl nicht los, als wäre sie nicht allein. Bei der Vorstellung überlief sie ein Schauder, und der Eindruck, dass in ihrem Rücken irgendetwas Unbekanntes war, das sie nicht sehen konnte, schärfte ihre Sinne.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Der Geruch, den sie beim Eintreten so deutlich wahrnehmen konnte, hatte sich verändert. Es war, als ginge er von einem bestimmten Platz aus und würde schwächer, während er sich im Haus ausbreitete. Es war, als könnte sie seine Spur bis zu seinem Ursprung verfolgen.
    Der Bereich direkt hinter der Tür war eine blanke Betonfläche im traditionell japanischen Stil, ein Platz, an dem man seine Schuhe ausziehen konnte, bevor man den Fußbodenbelag betrat. An der Seite war ein Schuhregal aus Holz aufgestellt, unter dem zwei identische Paar Sandalen standen. Saeko war bereits aufgefallen, dass in diesem Haus viele Dinge paarweise vorkamen, auch wenn sie sich keinen Grund dafür vorstellen konnte. Sie betrachtete die vier Sandalen, die

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