Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
Vom Netzwerk:
nebeneinander aufgereiht waren, und bemerkte ein weiteres Paar, das dahintergezwängt lag und kaum zu sehen war. Es war ein Einzelpaar, das größer war als die anderen. Saeko rümpfte die Nase, als sie feststellte, dass der unangenehme Geruch von diesen Sandalen ausging. Dass sie so stanken, deutete darauf hin, dass sie vor Kurzem noch getragen worden waren. Der Schweißgeruch passte nicht in dieses Haus, in dem alle Anzeichen von Leben verdorrt waren. Immerhin stand es seit fast einem Jahr leer. Saeko erstarrte, noch bevor sie die Stiefel ganz ausgezogen hatte. Sie spürte, wie ihre Poren sich öffneten wie Sensoren, die die Luft nach Unregelmäßigkeiten abtasteten.
    Als Kind war Saeko gern im Haus ihrer Großeltern in Atami gewesen. Das Einzige, was sie daran gehasst hatte, war die Toilette, ein Klohäuschen, das abseits des Hauptgebäudes stand. Sie erinnerte sich noch an ihre Angst, wenn sie mitten in der Nacht allein dorthin gehen musste. Die Toilette selbst war typisch japanisch, ein Porzellanbecken im Boden, über das man sich hockte. Wenn Saeko sich hinkauerte, um ihr Geschäft zu verrichten, ging ihre Fantasie mit ihr durch und steigerte ihre Ängste ins Unermessliche, bis sie davon überzeugt war, dass draußen ein ganzes Heer von Geistern und Gespenstern nur darauf wartete, dass sie herauskam.
    Der Wind, der durch die Ritzen im Holz blies und ihr über die Haut strich, regte ihre Fantasie noch mehr an. Im Kopf konnte sie sich jeden einzelnen Geist genau vorstellen. Irgendwann brachte sie endlich den Mut auf, die Tür zu öffnen und hinauszuspähen, da sie wusste, dass sie nicht die ganze Nacht in dem Klohäuschen verbringen konnte. Und natürlich wurde sie niemals von Geistern erwartet.
    Saeko saß an der Schwelle, den Rücken zum Flur gewandt, und starrte auf den dunklen Umriss ihres Schattens, den das Licht hinter ihr an die Haustür warf. Es war nur ihr Schatten. Ansonsten regte sich nichts.
    Saeko hatte nun beide Stiefel ausgezogen, doch sie blieb wie angewurzelt sitzen. Das Herz hämmerte ihr in der Brust. Sie musste sich zusammenreißen, bevor die Fantasie mit ihr durchging wie in der Klinik und sie vollkommen lähmte; das war das Letzte, das sie jetzt brauchte. Langsam drehte sie sich zum Flur um und betrat den Holzboden, mit lauten, festen Schritten, und betätigte alle Lichtschalter, an denen sie vorbeikam. Beinahe im Laufschritt stolperte sie ins Wohnzimmer und knipste auch dort so rasch wie möglich das Licht an.
    Was für ein Unterschied zu dem Tag, an dem sie gefilmt hatten, wie Shigeko Torii das Haus betrat – die Kameras waren ihr langsam gefolgt, um bewusst Spannung zu erzeugen. Saeko blieb stehen und versuchte, sich zu beruhigen, indem sie tief durchatmete. Sie schaute sich flüchtig im Raum um. Der offene Küchenbereich, der Esstisch, alle Küchenutensilien und sonstigen Haushaltsgegenstände waren ordentlich und praktisch in die Regale an der Wand geräumt. Das kleine Aquarium stand auf dem Sideboard. Darüber hing ein rotes Halstuch an einer Korkpinnwand.
    Alles war wie in ihrer Erinnerung, zweifellos. Trotzdem wurde Saeko das Gefühl immer noch nicht los, dass irgendetwas unstimmig war. Sie dachte daran zurück, wie sie bewusstlos geworden war, als das Erdbeben begann – vor einem Monat. Sie sah die Szene in Zeitlupe ablaufen; die Bilder hatten sich ihr eingebrannt. Eines der Regale hatte sich seitwärts geneigt, und sein Inhalt war von oben herabgestürzt. Alles war gleichzeitig passiert: der Schlag auf ihren Kopf und das klirrende Scheppern, mit dem unzählige Teller auf den Boden krachten.
    Das scheppernde Geräusch – das war es. Saeko erinnerte sich an den Anblick der Scherben von Tellern und Tassen auf dem Boden, die nach allen Seiten geflogen waren. Wenn sie sich jetzt umschaute, war nichts mehr davon zu sehen, dass das je passiert war. Die Regale standen alle wieder an ihrem Platz, das Geschirr stand ordentlich hinter den geschlossenen Glastüren. Sie betrachtete den Fußboden. Er war sauber, wahrscheinlich sauberer als vor dem Erdbeben.
    Hatten Hashiba und das Team danach geputzt? Doch selbst wenn, es sah alles einfach zu ordentlich, zu perfekt aus. Saeko nahm die Fernbedienung des Fernsehers vom Esstisch und drückte auf »Power«, ohne recht zu wissen, was sie tat. Während sie darauf wartete, dass das Bild erschien, rieb sie sich die Augen. Sie hatte ein beklemmendes Gefühl in der Brust, und das Atmen fiel ihr schwer.
    Sie starrte auf die Fernsehbilder. Durch das

Weitere Kostenlose Bücher