Der Graben: Thriller (German Edition)
Yayoi-Zeit bis zur Edo-Zeit gab es keine großen Veränderungen an den Dingen, die der Mensch machte. Erst in der Meiji-Zeit, also in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, ging es richtig los. Die Werke des Menschen entwickeln sich nicht kontinuierlich weiter. Lange Zeit passiert gar nichts, und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, entstehen plötzlich jede Menge verschiedener Varianten. Die Dauer der Phasen, in denen nichts passiert, wird im Laufe der Zeit immer kürzer. Die Fortschritte der Zivilisation im neunzehnten Jahrhundert sind im Hinblick auf die Geschwindigkeit überhaupt nicht mit denen des zwanzigsten Jahrhunderts zu vergleichen.
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen der Evolution des Lebens und der Entwicklung menschengemachter Technologien ist das Aussterben. Schau dir wieder Japan an. Die Sänften und Rikschas, die in der Edo-Zeit als Transportmittel dienten, gingen mit dem Aufkommen von Autos und Zügen unter. Wenn eine fortschrittlichere Technologie entwickelt wird, verschwindet die ältere Technologie, welche die gleiche Funktion hat, von der Bildfläche. Trotzdem gibt es ein paar, die überleben. Die Stahläxte, die wir heute verwenden, sind präziser als ihre Vorgänger aus Stein, doch ansonsten sind sie mehr oder weniger identisch. Messer, Gabeln, Löffel und Essstäbchen behalten im Großen und Ganzen dieselbe Form wie immer, und es ist unwahrscheinlich, dass sich daran jemals etwas ändern wird. Zu den Beispielen aus der Biologie gehören die Archaebakterien – Stämme, die seit der Urzeit existieren – und andere Lebensformen, die sich im Laufe der Jahrmillionen kaum verändert haben, zum Beispiel Quallen, Seelilien und Korallen.
Aber warum sterben menschengemachte Technologien aus? Es gibt einen großen Unterschied zwischen menschengemachten Objekten und natürlichen Organismen. Menschengemachte Objekte werden zu einem bestimmten Zweck hergestellt. Der Mensch hat nicht einfach einen Werkzeugkasten geschüttelt und plötzlich einen Fernseher herausgeholt. Der Antrieb dazu liegt tief in der menschlichen Psyche und wird dann durch die Sprache zum Ausdruck gebracht. Wenn ein neues Objekt auftaucht, das dem gleichen Zweck dient wie ein älteres, gerät das ältere in Vergessenheit. Einfach ausgedrückt: Als der Mensch das Fahrrad erfand, starben die Rikschas aus. Oder in informationstheoretische Begriffe gefasst: Die neue Technologie überschreibt die ältere. Die Technologie, die unter einem neuen Dateinamen gespeichert wird, überlebt als neue Art.
Jetzt mal eine Frage. War das erste Leben auf der Erde männlich oder weiblich? Einzeller haben eigentlich kein Geschlecht, aber wenn wir ihnen eines zuordnen sollten, was glaubst du, welches es wäre?« Saekos Vater hielt inne, um die Antwort seiner Tochter abzuwarten.
Saeko brauchte nicht lange zu überlegen. Sie wusste, welches Geschlecht dazu in der Lage war, Nachkommen hervorzubringen, selbst bei Einzellern. »Ich würde sagen weiblich.«
»Richtig.« Saekos Vater applaudierte leise. »Die frühen Prokaryoten müssen weiblich gewesen sein. Die tatsächliche Unterscheidung zwischen männlich und weiblich erfolgte wahrscheinlich während der großen Artenexplosion im Kambrium, gemeinsam mit der Fähigkeit, sich von anderen Organismen zu ernähren. Vielleicht kann die geschlechtliche Fortpflanzung als Nebeneffekt des Paradigmas vom Fressen-und-Gefressen-Werden angesehen werden. Von den beiden Geschlechtern ist das weibliche das elementare, das stets konstant bleibt. Es hat schließlich die längere Geschichte.
Auch dazu gibt es in der Welt der Technik eine Parallele. Grundlegende Werkzeuge wie Handäxte, Messer, Löffel und Essstäbchen haben eine lange, konstante Geschichte. Technologien, die Energie verbrauchen, tauchten erst viel später auf und können mit dem männlichen Geschlecht assoziiert werden, oder vielleicht mit dem Fleischessen. Das männliche Geschlecht, Tiere, energieverbrauchende Technologien. Das weibliche Geschlecht, Pflanzen, Technologien, die keine Energie verbrauchen. Findest du nicht, dass sie gut in zwei Hauptkategorien passen? Die weibliche Kategorie ist diejenige, die unerschütterlich konstant bleibt. Aber füge einen Motor hinzu, und du hast eine männliche Technologie. Mir scheint, das Männliche war ein Ableger des Weiblichen. Das männliche Geschlecht ist immer inkonstant und strebt immer zu seinem Ausgangspunkt zurück. Aber woran liegt das? Warum ist die Natur so voller gegensätzlicher
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