Der Graben: Thriller (German Edition)

anzusehen.
    »Es gibt merkwürdige Ähnlichkeiten zwischen den Dingen, die der Mensch erfunden hat, und lebendigen Organismen, die auf diesem Planeten geboren wurden. Ich will jetzt nicht auf die Mechanismen eingehen, die zurzeit der ersten Lebensformen wirksam waren, aber ich finde es unvorstellbar, dass sie durch puren Zufall aus dem Gewaber einer dicken Aminosäuresuppe entstanden sind. Eines Tages, wenn du älter bist, Sae, erzähle ich dir, was ich darüber denke. Vorerst reicht es, wenn du weißt, dass wir nicht wissen, wie es passiert ist. Vor ungefähr 3,9 Milliarden Jahren – weniger als eine Milliarde nach Entstehung der Erde – wurden die ersten Lebensformen geboren. Sie waren Prokaryoten, Lebensformen, die keinen Zellkern besitzen, ähnlich wie Bakterien. Ihre Form war extrem einfach, trotzdem lebten sie. Etwa zwei Milliarden Jahre lang existierten diese primitiven Lebensformen weiter, ohne irgendeine Weiterentwicklung. Kannst du dir das vorstellen? Keinerlei Weiterentwicklung, für zwei Milliarden Jahre! Das ist eine irrsinnig lange Zeitspanne! Die erste Lebensform, die endlich einen Zellkern entwickelte, entstand vor etwa 1,5 Milliarden Jahren. Und dann folgte vor etwa 600 Millionen Jahren die große Artenexplosion, die als kambrische Periode bekannt ist. Plötzlich hat sich alles verändert, und das Leben nahm alle möglichen Formen an. Die Lebensformen, die in dieser Zeit entstanden sind, waren vollkommen anders als alles, was zuvor existiert hatte. Nach heutigen Standards waren sie hässlich – oft konnte man nicht erkennen, wo oben und unten oder wo Kopf und Schwanz war. Vor ungefähr 400 Millionen Jahren begannen die ersten Pflanzen an Land zu wachsen. Amphibien entwickelten sich und verließen das Wasser, die Dinosaurier entstanden, dann die Vögel. Danach kamen die Säugetiere und zum Schluss Menschen, welche die Fähigkeit zu sprechen hatten. Es gab ein ganzes Tierreich ähnlich dem, das wir heute haben. Doch die große Mehrheit der Arten hat auf Dauer nicht überlebt. Es heißt, dass ungefähr 99 Prozent der entstehenden Arten durch natürliche Auslese ausgemerzt werden. Von den berühmtesten hast du natürlich schon gehört.«
    Darüber hatte Saeko schon mit ihren Freunden in der Schule gesprochen. Die Dinosaurier waren in der Triaszeit entstanden, ihre Hauptzeit war der Jura, und am Ende der Kreidezeit starben sie aus, vor etwa 65 Millionen Jahren. Es gab unendlich viele Spekulationen über die Gründe. Man führte ihren Untergang auf einen gigantischen Meteoriteneinschlag zurück, auf eine riesige Molekülwolke, auf geologische Veränderungen oder auf kontinentale Verschiebungen durch die Plattentektonik. Doch letztendlich wusste niemand, was wirklich mit den Dinosauriern geschehen war.
    »Jetzt zu den Werkzeugen, die der Mensch erfunden hat. Der Cromagnonmensch war die erste moderne menschliche Art, aber selbst vor ihm haben prähistorische Menschen und Urmenschen einfache Steinwerkzeuge benutzt. Das erste von Urmenschen erschaffene Werkzeug war zum Beispiel vor etwas mehr als einer Million Jahren eine Handaxt aus Stein. Für ungefähr eine Million Jahre blieb die Handaxt in Gebrauch, ohne nennenswerte Weiterentwicklungen. Aus unserer heutigen Sicht ist das eine unfassbar lange Zeitspanne. Aber erinnert dich das nicht daran, wie die ersten Prokaryoten sich zwei Milliarden Jahre lang kein bisschen weiterentwickelt haben? Sobald die ersten Zivilisationen entstanden, in Ägypten, Mesopotamien, dem Industal und am Gelben Fluss, begannen die Menschen, zahlreiche verschiedene Werkzeuge herzustellen. Genau wie bei den Prokaryoten, die sich, als sie endlich einen Zellkern ausgebildet hatten, zu mehrzelligen Organismen entwickelten, auch wenn sie immer noch nicht die Fähigkeit besaßen, Energie zu gewinnen, indem sie sich von anderen Organismen ernährten. Es gab noch keine Nahrungskette. Die Organismen waren wie die Pflanzenwelt. Keiner von ihnen verbrauchte Energie, um sich fortzubewegen.
    Im siebzehnten Jahrhundert, nach der griechischen und römischen Antike und der Renaissance, hat Newton die klassische Bewegungslehre zur Vollendung gebracht; dann folgte die industrielle Revolution in Großbritannien. Sie ähnelt jener großen Artenexplosion des Kambrium, bei der alle möglichen Tierarten entstanden. Danach beschleunigte sich der Prozess der Mechanisierung und Automatisierung, und ehe man sich’s versah, stellte der Mensch alle möglichen Geräte her.
    Nimm zum Beispiel Japan.
    Von der