Der Graben: Thriller (German Edition)
ihm nicht klar, dass sie zu ihrer Wohnung gingen, bis sie fragte: »Würden Sie heute Abend noch mit zu mir kommen?« Sie sprach merkwürdig schnell, als wollte sie ihm weismachen, es wäre der Drink, der sie so reden ließ.
Nachdem sie die Bar verlassen hatten und in ein Taxi gestiegen waren, dirigierte Saeko den Fahrer in ein ruhiges Wohngebiet im Bezirk Minato. Während der Fahrt und selbst beim Aussteigen machte sie keine Anstalten, Hashibas Hand loszulassen. Ihr Griff war so fest, dass sie Angst zu haben schien, er könnte davonlaufen, wenn sie ihn nicht fest genug hielt.
Doch Hashiba hatte nicht vor wegzulaufen. Als er Saeko eingeladen hatte, mit ihm essen zu gehen, hatte er schon die vage Hoffnung gehabt, der Abend würde so enden.
Wann war aus seiner Sympathie für sie mehr geworden? Hashiba glaubte, dass sie schon bei der allerersten Besprechung für die Sendung sein Interesse geweckt hatte, weil sie s ich so besonders ausdrückte. Danach hatte es nicht lange g edauert, bis er sich in sie verknallt hatte. Saeko war ganz an ders als alle Frauen, die er je kennengelernt hatte. Ihre Art zu s prechen – in einer Mischung aus Lebensklugheit und Naivi tät – wirkte erfrischend und originell, manchmal auch ausgesprochen witzig. Dennoch schien es Saeko stets zu verwirren, wenn er sich amüsierte. Dann legte sie fragend den Kopf schräg und gab noch kuriosere Formulierungen von sich.
Wenn Hashiba nachts allein in seinem Bett lag, rief er sich ins Gedächtnis, was Saeko an jenem Tag gesagt und wie sie es ausgedrückt hatte, und er empfand ein wohliges Glücksgefühl. Bei den Gedanken an sie schien sich der Stress seiner Arbeit in Wohlgefallen aufzulösen, und ehe er sich’s versah, schlummerte er friedlich ein.
Hashiba hatte eine Ahnung, dass Saeko seine Gefühle erwidern könnte, doch da er keinesfalls den Eindruck eines Regisseurs erwecken wollte, der hinter jedem Rock herlief, hatte er sich große Mühe gegeben, behutsam vorzugehen.
Er hatte nicht zu träumen gewagt, dass das Objekt seiner Begierde ihm so unverhofft entgegenkommen würde.
Nur ein paar Meter neben der Stelle, an der sie aus dem Taxi gestiegen waren, führte Saeko Hashiba durch einen Durchgang in der hohen Hecke, die den Gehsteig säumte. Als sie um die Ecke bogen, glitten einladend die Türen eines luxuriösen Apartmenthauses auf, das wahrhaftig aussah wie ein Fünf-Sterne-Hotel. Dank der Rundumverglasung konnte man von draußen in die Lobby hineinschauen und die Kronleuchter und raffinierten Glasskulpturen sehen, die wie Edelsteine funkelten.
Zwischen dem Gebäude und der Hecke war ein dichter Garten angelegt, eine grüne Oase mitten im Herzen von Tokio. Das Gebäude war am Beginn der Blase des japanischen Immobilien- und Aktienmarkts entstanden und damit über zwanzig Jahre alt, doch der prachtvolle zwölfgeschossige Bau war immer noch ein Musterbeispiel gehobenen Stils.
Ohne das geringste Zögern marschierte Saeko durch den Eingangsbereich und öffnete die verschlossenen Türen mit einer Codekarte. Hashiba folgte ihr schweigend; ihm schwirrte der Kopf vor Fragen, die er nicht über die Lippen brachte.
Im Hof gab es einen Springbrunnen in einem Wasserbecken, das so raffiniert gebaut war, dass es bis in die Lobby hineinreichte. Der Boden, auf dem Saeko und Hashiba standen, lag nur knapp über der Wasseroberfläche. Ein Atrium mit Wasserbecken nannte man so etwas, glaubte Hashiba. Der gesamte Boden über dem flachen Becken war aus dickem Glas gebaut, sodass es beinahe war, als liefe man über einen zugefrorenen See. Hashiba konnte sich nicht vorstellen, was es kostete, so eine extravagante Spielerei zu unterhalten. Von den Gemälden an den Wänden bis zu den Skulpturen in der Eingangshalle verströmte alles kultivierte Eleganz.
Als Regisseur hatte Hashiba bereits die Privatwohnungen zahlreicher Prominenter besucht, doch nichts von dem, was er dort gesehen hatte, reichte auch nur annähernd an den Luxus dieses Gebäudes heran.
»Wohnen Sie wirklich hier?«, fragte er wie vor den Kopf geschlagen. Saeko nickte nur und blieb vor dem Aufzug stehen.
Der linke der beiden Aufzüge hatte keine Anzeige für die Stockwerke. Erst nachdem sie ihn betreten hatten – Saeko hatte wieder eine Codekarte benutzt, um die Türen zu öffnen –, begriff Hashiba, dass dieser Lift der Penthousewohnung vorbehalten war, die er mit der Lobby sowie einer Tiefgarage verband. Wohin bringt sie mich? , fragte sich Hashiba immer noch wie betäubt. Seine Hand war
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