Der Grabritter (German Edition)
dachte schon, dass etwas Schreckliches passiert sei.« Ramon winkte ab. »Gib uns lieber ein paar Decken, wenn du welche im Wagen hast. Die Contessa ist vollkommen durchnässt.« Pepe rannte zurück zum Wagen. Als die Drei bei ihm ankamen, hatte er bereits ein paar dicke Schafswolldecken aus dem Kofferraum geholt. Kerner nahm eine und wickelte Bice, die vor Kälte und Erschöpfung zitterte, darin ein. Auch Ramon nahm eine Decke und hängte sie sich über die Schultern. Als sie in den Wagen einstiegen, hatte sich das Gewitter schon fast wieder verzogen. Die Wolken klarten auf und die Welt sah beinahe wieder so freundlich aus wie vorher.
Auch Pepe fand schnell seine gute Laune wieder und als er beim Blick in den Rückspiegel sah , was sich dort bei unter der dicken Schafswolldecke tat, fing er an, seine schönsten Balladen zu trällern. Ramon warf ihm einen zornigen Blick zu. Als er Pepe gerade eins überziehen wollte , blickte er über die Schulter nach hinten. Er verdrehte die Augen und griff nach der Zigarettenschachtel, die vor ihm in der Konsole lag. Nachdem er das Silberpapier daraus entfernt hatte, formte er zwei Stopfen daraus. Er setzte sie in seine Ohren und ließ Pepe weiterträllern. Allerdings nicht ohne ihm vorher den Rückspiegel zu verdrehen. Ein Blick in Ramons Gesicht genügte Pepe um zu wissen, dass er ihn auch besser so belassen sollte. Ramon schlug die Decke auf seiner Brust zusammen, schüttelte noch einmal den Kopf und machte die Augen zu.
Zurück in Domaso war Ramon heilfroh, aus Pepes Klapperkiste aussteigen zu können. Er ging um den Wagen herum und gestikulierte wild mit ihm. Bice lachte. »Weißt du, was er ihm gerade gesagt hat?«, fragte sie kichernd. »Nein, was?« Kerner schüttelte amüsiert den Kopf. »Er sagt, wenn mein Vater jemals erfahren sollte, wo er uns heute in diesem Wetter hingefahren hat, dann würde er, Ramon Mastromarino, zu ihm kommen und ihm höchstpersönlich den Hals rumdrehen.« Pepe schien jedenfalls alles glasklar verstanden zu haben. In halb gebückter Haltung zeigte er mit einer Handbewegung an, dass seine Lippen für immer versiegelt wären. Daraufhin fasste Ramon in seine Hosentasche und holte ein Bündel Geldscheine heraus. Wehmütig sah er noch einmal darauf, dann gab er Pepe das Bündel. Das runde Gesicht fing an zu strahlen und nach einer überschwänglichen Dankeszeremonie verabschiedete er sich von den Dreien.
Mit verdrießlichem Gesicht trottete Ramon zu Bice und Kerner zurück. »Die Decken gehören jetzt uns.« Im Vorbeigehen brummte er noch, »in dem Preis müssten eigentlich hundert Decken enthalten sein.« Dann setzte er seinen Weg in Richtung des Motorbootes fort. Zurück auf der Jacht ging Bice direkt unter Deck, um trockene Sachen zu suchen, während Kerner noch an der Reling stehenblieb und den See betrachtete. Nachdem Ramon kurz mit Nunzio geredet hatte, kam er zu Kerner herüber und hielt ihm einen Becher mit heißem Kaffee hin. Dankbar nahm Kerner ihn und schlürfte daran. Ramon kratzte sich am Hinterkopf. »Mr. Baranow, wissen Sie eigentlich was passiert wäre, hätten Sie die Contessa fallen lassen?« Kerner sah ihn an. Es war keine Feindseligkeit in diesen Worten zu entdecken, wohl aber ein unglaublicher Ernst. »Sagen Sie es mir, Ramon.« Der Bodyguard nahm langsam einen Schluck von seinem Kaffee. »Sie würden jetzt irgendwo dort oben in der Schlucht liegen und mausetot sein. Genauso tot wie ich es dann bald wäre. Es gäbe wohl für mich keinen Platz auf der Welt, wo ich mich vor den Vigianis verstecken könnte. Sie würden mich finden und dann ... na ja. Sie haben also etwas gut bei mir, Mr. Baranow. Nur eines noch. Sollten Sie ein falsches Spiel mit der Contessa spielen, dann müsste ich Sie umbringen. Ich habe dort oben in den Bergen durchaus mitbekommen, dass Sie keiner von diesen aufgeblasenen Luftbeuteln sind, aber glauben Sie mir, auch mit Leuten wie Ihnen habe ich es schon aufgenommen.« Ohne ein weiteres Wort oder eine Antwort abzuwarten, drehte sich Ramon um und ging wieder hinüber zu Nunzio ans Ruder.
Bice kam zurück an Deck. Von Kerners kurzer Unterhaltung mit Ramon hatte sie nichts mitbekommen. »Komm Victor, ich habe unten trockene Sachen für dich oder willst du d ir hier oben den Tod holen?« Er legte den Arm um sie und die beiden verschwanden unter Deck. Deutlich spürte Kerner dabei, wie Ramons Blick ihnen folgte. Unten, in einer der Schlafkajüten, lagen schon ein paar Sachen zum Anziehen
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