Der Grabritter (German Edition)
dem BKA vor einer Tür auf einem Stuhl sitzen. Auf dem Weg winkte er ihm zu. »Hallo Henrich. Du hast Feierabend. Ich übernehme die Nachtschicht.« Steif erhob sich der Angesprochene von seinem Stuhl und legte die Zeitung, die er gerade gelesen hatte, darauf ab. »Gut, dass du kommst. Ich konnte die Augen kaum noch aufhalten. Der Job hier ist ätzend. Du sitzt den ganzen Tag hier auf deinem Arsch rum und kannst höchstens mal drei Schritte den Flur rauf und runter spazieren, weil du ja diese scheiß Tür nicht aus den Augen lassen darfst.« Merten verzog sein Gesicht. »Ja, ich weiß. Mir graut auch schon davor. Nachts ist hier ja fast überhaupt keiner mehr. Man kann noch nicht mal mit irgendwem ein paar Worte wechseln. Na ja, was soll's. Du hast es jedenfalls für heute geschafft. Wie geht es eigentlich Herzog? Haben die Ärzte etwas gesagt?« Henrich schüttelte den Kopf. »Nein, alles unverändert, aber der Alte ist ein zäher Knochen. Ich hoffe, er schafft es. Es gibt Schlimmere als ihn im BKA.« Henrich grinste Merten vielsagend an.
Es war klar, dass er Mertens Chef, Kriminalrat Marquart, meinte. Merten winkte ab. »Kann man sich halt nicht aussuchen.« Henrich verabschiedete sich von Merten und ließ ihn allein auf dem Flur. Eine Ärztin kam aus der Tür des Zimmers heraus, welches schräg gegenüberlag. Sie grüßte Merten kurz und verschwand dann ebenfalls hinter Henrich durch die Schleuse. Jetzt war es totenstill auf dem Flur. Nur das leise, kaum wahrnehmbare Zirpen einer defekten Neonröhre war noch da. Merten drehte sich um und öffnete langsam die Tür zu Herzogs Zimmer. Dann ging er hinein. Nur eine kleine Notbeleuchtung war eingeschaltet und von draußen fiel der schwache Mondschein auf das Bett, in dem Herzog immer noch an die Apparaturen angeschlossen war. Merten hielt einen Moment lang inne. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er sich um. Mit einem hässlichen Grinsen näherte er sich dem Bett und sah auf den Mann herunter, der dort hilflos vor ihm im Bett lag. Das leise Zischen der Herz-Lungenmaschine war, wie seit Tagen schon, das einzige Geräusch im Raum. Von einer Flasche über dem Bett führte ein Schlauch direkt zu einer Vene in Herzogs linkem Arm. Merten betrachtete den Schlauch. Er griff in seine Tasche und zog eine kleine Ampulle hervor. Aus der anderen Tasche kam eine in ein Taschentuch eingewickelte Spritze zum Vorschein. Merten nahm sie und stach sie durch den Verschluss der Ampulle. Langsam zog er sie auf. Nachdem sie etwa zur Hälfte gefüllt war, steckte er die Ampulle wieder ein. Er nahm den Schlauch zu Herzogs Arm und zog ihn etwas zu sich heran. Mit der hauchfeinen Kanüle stach er in den Schlauch.
Mit einem lauten Knall flog hinter Merten die Tür auf, und zwei Männer mit Tüchern vor dem Gesicht stürzten herein. Merten ließ vor Schreck die Spritze los und drehte sich blitzschnell um. Er griff zu seiner Waffe, aber noch bevor er sie ziehen konnte, sprang einer der Männer auf ihn zu. Er landete vor Merten auf dem Boden und trat ihm mit einem gezielten Kick die Beine weg. Merten landete krachend auf den Fliesen und stöhnte laut auf. In dem Moment, als er sich wieder aufrichten wollte, war auch schon der zweite Mann bei ihm. Mit einem mächtigen Faustschlag mitten ins Gesicht schickte er Merten ins Reich der Träume.
Der andere war sofort aufgestanden und wandte sich zu Herzog um. Er sah die Spritze, die immer noch in dem Schlauch steckte, und schnellte hinüber, um sie herauszuziehen. Merten hatte es nicht mehr geschafft, sie zu injizieren. Als die Lage endgültig unter Kontrolle war, drückte einer der Männer auf den Alarmknopf. Kaum eine halbe Minute später hörten sie auf dem Flur schnelle Schritte, und ein Arzt stürmte ins Zimmer. Als er die beiden maskierten Männer sah, schreckte er zurück und wollte laut um Hilfe rufen. Einer der Männer packte ihn von hinten am Kragen und hielt ihm den Mund zu. Sie zeigten dem Arzt die Spritze und erklärten dem vollkommen verwirrten Mann, was passiert war. Als der Arzt sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, ließen sie ihn los. Sofort ging er zum Bett und wechselte den Zugang zu Herzogs Arm. Alles war gut gegangen. Nichts vom Inhalt der Spritze war in sein Blut gelangt. Das war Rettung in letzter Sekunde. Nachdem der Arzt alles noch einmal sorgfältig kontrolliert hatte, drehte er sich wieder zu den beiden Maskierten um. »Wer sind Sie? Was war hier überhaupt los? Was ist das für ein
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