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Der Grabritter (German Edition)

Der Grabritter (German Edition)

Titel: Der Grabritter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Lierss
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halb zu Kerner herum und zeigte mit der Hand in seine Richtung. »Darf ich vorstellen, das ist Viktor Baranow, der Mann, der dir etwas anzubieten hat.« Die schwarzen, durchdringenden Augen des Conte wanderten zu Kerner. Musternd betrachtete er den Mann, der immer noch mit der riesigen Rolle unter dem Arm in der Nähe der Tür stand. Dann ging er auf ihn zu. Zum ersten Mal stand Kerner dem Mann gegenüber, der wohl zusammen mit seinem Sohn Ferruccio und einigen anderen Leuten für so viele Gräueltaten verantwortlich war. Aber der Mann, der hier vor ihm stand, hatte keine Kraft mehr. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Gezeichnet von der schlimmen Krankheit, die er in sich trug. »Willkommen in meinem Haus, Mr. Baranow. Ich freue mich sehr, dass Sie und Ihre Freunde sich dazu entschlossen haben, mein, sagen wir einmal, auf ein erträgliches Maß reduziertes, wenn auch immer noch generöses Angebot für das Bild anzunehmen. Halten Sie mich deshalb aber nicht etwa für dumm, Mr. Baranow. Ich weiß sehr genau, dass es Ihnen schwerfallen dürfte, einen besseren Preis zu erzielen. Ich bin mir zudem sicher, dass Sie mir das Bild in, sagen wir, einem halben Jahr zu einem nochmals reduzierten Preis verkaufen würden. Das Dumme an der Sache ist nur, und das ist ein wahrer Glücksfall für Sie, ich weiß nicht, ob ich diesen Zeitpunkt noch erlebe. Was soll ich sagen, Mr. Baranow. So funktioniert nun einmal die Welt. Des E inen Freud ist des Anderen Leid . In diesem Fall kann ich also nur sagen, herzlichen Glückwunsch- Spiel gewonnen. Bleibt zu wünschen, dass es Ihnen nie anders ergeht. Normalerweise begrüße ich hier übrigens keine Gäste, die nicht zu meinen engen Freunden zählen.« Der Conte blickte auf die Rolle unter Kerners Arm und lachte dabei. »In Ihrem Falle mache ich jedoch gerne eine Ausnahme.« Donatello Vigiani gab Kerner die Hand und drückte sie. Wieder hallten die warnenden Worte Graf Siegfrieds in Kerners Kopf. Kein Zweifel. Dieser Mann war gefährlich, selbst in seinem jetzigen Zustand noch.
     
    Maria erschien in der Tür und bat zum Essen in den kleinen Salon. Der Conte sah Kerner an. »Ich hoffe Sie haben Hunger, Mr. Baranow. Wenn Sie einverstanden sind, lasse ich das Bild in einen Raum bringen, wo wir es auf Leinwand spannen können. Ansehen möchte ich es mir gerne erst morgen früh. Wissen Sie, es ist immer noch das Tageslicht, welches eine ganz eigene Faszination von einem Bild ausgehen lässt.«
    Kerner war einverstanden. Nachdem der Conte zwei seiner Männer mit allem beauftragt hatte, begaben sich die drei in den kleinen Salon, in dem Maria bereits dabei war das Essen aufzutragen. Als sie zu Tisch saßen, begann der Conte Kerner eine ganze Menge Fragen zu stellen. Er wollte alles Mögliche sowohl zu dem Bild, aber auch zu allgemeinen Dingen wie Kerners Herkunft und seinem gesellschaftlichen Umfeld wissen. Kerner hatte sich wirklich gut auf diese Rolle vorbereitet. Mehr und mehr gelang es ihm, den anfänglichen Argwohn des Conte abzubauen. So entwickelte sich im Laufe des Abends eine immer gelöstere Unterhaltung, in der der Conte hauptsächlich von Bice erzählte. Sie hatte wohl in ihrer Jugend schon allen im Haus graue Haare bereitet. Ihre abenteuerlichen Eskapaden waren oft Schuld an einem heillosen Durcheinander bei den Vigianis gewesen. Schnell merkte Kerner, wie innig das Verhältnis zwischen dem alten Conte und seiner Tochter war und mehr und mehr überkam ihn eine große Angst. Was, wenn Bice erfuhr, wer er wirklich war?
     
    Seinen Sohn Ferruccio erwähnte der Conte im Verlauf der Unterhaltung nur am Rande. Vorsichtig versuchte Kerner sich etwas vorzutasten. »Sagen Sie Conte, ich habe im Laufe unserer Unterhaltung nur heraushören können, dass ihr Sohn ein sehr viel beschäftigter Mann und im Moment selten Zuhause ist. Welche Art von Geschäften betreibt er denn zurzeit?« Das eben noch heitere Gesicht des Conte nahm schlagartig andere Züge an. Er lehnte sich etwas zurück und sah Kerner scharf an. »Mr. Baranow, ich möchte von Ihnen nicht wissen, wie Sie Ihr Geld verdienen. Ich kann es mir jedoch denken.« Es war eine unverhohlene Anspielung auf das unrechtmäßig in Kerners Besitz befindliche Bild. Zugleich gab ihm der Conte deutlich zu verstehen, dass er an einer Konversation mit ihm, die über ein allgemeines Geplänkel hinausging, nicht interessiert war. »Also Mr. Baranow, es wäre besser, wenn Sie sich nicht für die Angelegenheiten meines Sohnes interessierten. Er

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