Der Graf und die Diebin
jungen Künstler schmachtende Blicke zu. Es hieß, er sei im Port Royal untergebracht und pflege dort jeden Tag mehrere Stunden Gesang zu üben.
Jeanne war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die musikalische Kunst des jungen Kastraten genießen zu können. Christian hatte sie zwar mit durchdringenden Blicken bedacht, jedoch nur äußerst kalt und höflich begrüßt. Jetzt stand er hinter einer der gepuderten Hofdamen und flüsterte mit ihr. Die Dame kicherte leise und verbarg ihr Gesicht für einen Moment hinter dem Fächer. Dann schlug sie die Augen zu Christian hoch und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Christian lächelte zurück und legte scheinbar unabsichtlich seine Hand auf ihre Schulter.
„Er spielt Theater, Jeanne“, hörte Jeanne Rogers Stimme hinter sich.
Sie zwang sich zur Ruhe, obgleich sie vor Eifersucht am liebsten aufgesprungen wäre, um Christian ihren Fächer ins Gesicht zu schlagen. Das Gespräch zwischen den beiden Damen, das sie bei ihrem ersten Erscheinen bei Hof belauscht hatte, kam ihr wieder in den Sinn, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht vor Wut in Tränen auszubrechen. Oh ja – er hatte eine reiche Vergangenheit und war offensichtlich dabei, an frühere Liebesabenteuer anzuknüpfen. Warum tat er ihr das nur an?
Ernest de la Solle hatte während des Konzerts wie gewohnt neben dem Fauteuil der Königin gestanden und ihr leise Bemerkungen zugewispert. Jeanne wusste, dass dieser Mann für die Gerüchte verantwortlich war, die man über sie in die Welt gesetzt hatte. Aller Zorn, der sich in ihrem Inneren angesammelt hatte, richtete sich nun gegen ihn. Er hatte seine Strafe verdient.
Nachdem das Konzert beendet, und der junge Sänger oben auf der Empore mit großem Applaus und zärtlichen Blicken entlassen worden war, strebte die Hofgesellschaft in den Saal, um dort mit dem Tanz zu beginnen. Jeanne richtete es so ein, dass sie den Raum gemeinsam mit de la Solle verließ, und sie begegnete dem bohrenden Blick seiner kleinen dunklen Augen mit einem schüchternen Lächeln.
„Vater“, sagte sie leise zu ihm. „Ich habe eine Bitte an Euch.“
Überraschung und Misstrauen spiegelte sich in seinen Zügen, und er wollte sich an ihr vorbeidrängen.
„Ich flehe Euch im Namen der Kirche und des Glaubens an“, sagte sie dringlicher und fasste ihn am Ärmel, „ich möchte die Beichte ablegen.“
Er sah sie ungläubig an, vermutete einen üblen Scherz. Doch der Blick ihrer schönen blauen Augen war so flehend, dass er irritiert war.
„Morgen vor der Messe in der Hofkapelle, Duchesse....“
„Nein“, gab sie mit verzweifeltem Ausdruck zurück. „Ich werde den morgigen Tag nicht erleben, wenn ich nicht auf der Stelle beichten kann. Meine schwere Schuld, Vater, drückt mich schier zu Boden.“
Er blickte auf ihr tiefes Dekollete, wo sich die halb entblößte Brust heftig hob und senkte, spürte ihre Finger auf seinem Arm, sah die Verzweiflung der reuigen Sünderin in ihren Zügen, und eine kribbelnde Unruhe erfasste ihn. Dieses Mädchen hatte ihn von Anfang an erregt, sie war die fleischgewordene teuflische Lust, die Schlange, die Eva verlockte vom Baum der Erkenntnis zu kosten.
„Hier ist es nicht möglich, meine Tochter. Wir sind in der Öffentlichkeit.“
„Oh, hier gleich nebenan ist eine Kammer, in der wir ganz unter uns sind, Vater....“
Sie drängte ihn zur Seite, weg von dem Strom der Höflinge, die sich eilig in den Tanzsaal begaben, um dort ihre Plätze einzunehmen. Man hörte schon die Musikanten, der Tanzmeister stieß mit dem schleifengeschmückten Taktstab auf den Boden – um Aufmerksamkeit heischend. Niemand achtete auf die Zurückgebliebenen. „Hier, Vater. Hier sind wir ungestört. Ich danke Euch von ganzem Herzen für diese Gnade, die ihr mir armen Sünderin gewährt.“
Sie zog ihn in eine Kammer, die der Dienerschaft vorbehalten war und die momentan leer stand, da alle Bediensteten im Tanzsaal beschäftigt waren. Als er dicht vor ihr stand, erkannte sie, dass er längst nicht so alt war, wie er scheinen wollte. Er hatte seine Gestalt aus der leicht gebückten Haltung aufgerichtet, und sie sah seine kleinen Augen funkeln.
„Sprich, meine Tochter. Ich höre....“
„Ich habe mich gegen das sechste Gebot versündigt, Vater. Ich habe mich einem Mann hingegeben, und er hat meinen Körper zu sündiger Lust verführt.“
Er stieß die Tür mit einer Fußbewegung zu, blieb aber trotz seiner Erregung misstrauisch. Als er jetzt den Blick über
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