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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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öffnete, sah man hohe Wäschestapel, einige davon mit bunten Bändern umwunden, und ein starker Duft nach Rosen und Bergamotte wehte einem entgegen.
    Sie musste sich auf einen Schemel stellen, um an die großen Tischtücher heranzureichen, die in einem der oberen Schrankfächer untergebracht waren. Als sie eines der schweren Tücher mühevoll hervorzog, hörte sie hinter sich ein Geräusch. Jemand hatte die Tür der Kammer zugemacht. Gleich darauf drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Sie sprang vom Schemel und rüttelte an der Tür. Sie rief um Hilfe. Niemand kam. Sie war in die Falle gelaufen.
     
    Christian hatte eine Unterkunft in einem der Stadthäuser unweit des Palais Royal gemietet und überließ es seinen Bediensteten, für das Gepäck zu sorgen und die nötigen Besorgungen zu erledigen. Morgen würde er eine Dienstmagd und eine Köchin einstellen und sich vor allem darum kümmern, dass alles vorbereitet war, sollte Jeanne bei ihm einziehen. Er hatte fest vor, seine kleine Wildkatze als offizielle Maitresse zu sich zu nehmen – auch wenn Marguerite vermutlich Gift und Galle spucken würde.
    Es war spät geworden, und in den Straßen hatte die Dämmerung eingesetzt. Die beiden Bediensteten und der Kutscher saßen in der Küche um das Abendessen einzunehmen und noch einen guten Schluck vorm Schlafengehen zu trinken. Die lange, anstrengende Reise in der Hitze des Sommers hatte sie ermüdet, die Augen fielen ihnen jetzt schon zu.
    Christian hingegen war glockenwach. Die Vorstellung, seiner süßen Jeanne so nahe zu sein, dass nur noch wenige Straßenzüge zwischen ihnen lagen, war aufregend genug. Er kleidete sich zum Ausgehen an und verließ die Wohnung.
    Er näherte sich Mme de Fadors Haus von der rückwärtigen Seite, denn er hatte an diesem späten Abend wenig Lust, Marguerite zu begegnen. Er hatte ganz andere Dinge im Sinn. Wie ein Lausbub stieg er über den Gartenzaun, schlich sich im Schatten der Bäume zum Haus hinüber und stellte nach kurzem Versuch fest, dass der Weinstock, der sich am Haus emporrankte, stark genug war, um sein Gewicht zu tragen. Die Kletterpartie führte zuerst auf einen Balkon im ersten Stock, der zu Marguerites Schlafraum gehörte. Christian hoffte inständig, dass Mme de Fador – falls sie sich in ihrem Schlafzimmer aufhielt – anderweitig in Anspruch genommen war. Sonst hätte dieser kühne Aufstieg möglicherweise zu einem fatalen Missverständnis geführt. Sein Glücksstern war ihm hold – niemand bemerkte seinen kurzen Aufenthalt auf dem Balkon.
    Jeanne musste in einem der Gästezimmer untergebracht sein, die im zweiten Stock lagen. In welchem – das würde er herausfinden müssen.
    Jeanne hatte sich an diesem Abend mit einem Roman in ihr Zimmer zurückgezogen. Sie war nachdenklich. Marguerites Fragen nach der Kutschfahrt mit dem Chevalier hatte sie ausweichend beantwortet, doch spürte sie recht gut, dass ihre Gönnerin die Wahrheit ahnte und unzufrieden mit ihr war. Aber was erwartete sie eigentlich von ihr? Dass sie sich von diesem hässlichen Dickwanst betatschen ließ? Wozu hatte sie sie dann in all diesen schönen Dingen unterrichten lassen? Ihr diese eleganten Kleider gegeben?
    Sie fuhr zusammen, als etwas gegen ihr Fenster klopfte. Ein Zweig, den der Wind bewegt hatte? Draußen war es fast dunkel, und sie verspürte plötzlich eine unbestimmte Furcht. Die Drohung des Chevaliers kam ihr in den Sinn. Eigentlich war er viel zu lächerlich, als dass man Angst vor ihm haben müsste – und doch kroch ihr eine Gänsehaut den Rücken hinab.
    Wieder schlug etwas gegen ihr Fenster. Sie schloss das Buch und erhob sich entschlossen. Wer auch immer da seine Scherze mit ihr trieb – er sollte sie kennenlernen. Sie griff nach einem Feuerhaken, der in einer Ecke neben dem Kamin hing, und ging damit zum Fenster. „Jeanne! Bist du das?“
    Sie glaubte eine Wahnvorstellung zu haben. Es war seine Stimme. Christians Stimme. Jeanne ließ ihre Waffe fallen, öffnete das Fenster mit hastigen Händen und sah hinaus. „Christian?“
    „Hier bin ich“, flüsterte er dicht neben ihr.
    „Wo?“
    Es raschelte und knackte im Weinlaub, ein Arm war zu erkennen, eine Hand klammerte sich an eine Weinranke. Dann erkannte sie sein Gesicht. „Christian!“, flüsterte sie. „Um Himmels Willen! Was treibst du da?“
    „Hilf mir. Das verdammte Zeug reißt von der Wand herunter.“
    Sie ergriff seinen Arm, und er schwang sich zum Fenster hinüber. Mit einem raschen Sprung war er auf der

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